Gar nicht klingt der Radetzkymarsch … im Burgtheater

Joseph Roths Roman „Radetzkymarsch“ auf der Bühne des Burgtheaters: Ich frage mich wieder einmal, warum immer öfter Romane dramatisiert werden und zu Theaterehren kommen, die so vom Autor nicht geplant waren. Hätte er dann nicht gleich ein Theaterstück geschrieben? Es funktioniert ja manchmal (eine der großartigsten Inszenierungen, die ich in den letzten 10 Jahren gesehen habe, war „Krieg und Frieden“ im Kasino am Schwarzenbergplatz!), aber nicht immer. Und eine gute Filmadaption bedeutet noch nicht, dass es ins Theater passt.

Kaiser Franz Joseph (Johann Adam Oest) und Baron von Trotta (Falk Rockstroh) – zwei alte Männer, die aus der Zeit gefallen scheinen

„Der gefeierte niederländische Regisseur und Theaterleiter Johan Simons, der gemeinsam mit Koen Tachelet schon Hiob und Hotel Savoy erfolgreich dramatisiert hat, adaptiert nun mit seiner ersten Arbeit für das Burgtheater Joseph Roths Jahrhundertroman für die Bühne.“ (Homepage Burgtheater)

Der junge Leutnant von Trotta (Philipp Hauß) trifft auf den Kaiser

Im Grunde ist es eine Aneinanderreihung von lauter kleinen Szenen, in denen für mich nicht so ganz die Stimmung der untergehenden österreichisch-ungarischen Monarchie durchkommt. Inhaltlich geht es um das Dilemma des jungen Baron von Trotta, der eher widerwillig in der Armee dient und immer an seinem Großvater, dem Held von Solferino, gemessen wird, der dem Kaiser das Leben gerettet hat und danach geadelt wurde. Sein Schicksal und das der Familie Trotta steuern ähnlich dem Untergang entgegen wie das Kaiserreich.

Aber irgendwie kommt das Ganze nicht so richtig ins Laufen, in den 3 ½ Stunden gibt es auch etliche Längen. Woran es liegt? Sicher nicht an den 8 Schauspielern und der einen Schauspielerin, die in mehrere Rollen schlüpfen, denn es ist wieder eine große Leistung des ganzen Ensmebles. Alle tragen grundsätzlich nur Unterwäsche aus der Zeit der Handlung und ziehen je nach Figur meist ein Oberteil an – so ist gleich zu erkennen, wen sie verkörpern sollen.

Wer gerade nicht dran ist, sitzt auf einer langen Heurigenbank an der Rückseite der sonst (fast) leeren Bühnen in Warteposition. Die Aufmerksamkeit wird aber allzu oft auf die bunten Ballons in unterschiedlichen Größen gelenkt, die teils auf der Bühne, teils im Zuschauerraum herumschweben und zur Unterhaltung des Publikums beitragen. Ja, eh lustig, aber wozu eigentlich?

Schwierig: Ich kann nicht sagen, dass es mir nicht gefallen hat, aber wirklich in den Bann gezogen hat mich dieser Theaterabend auch nicht. Dazu hat das gewisse Etwas gefehlt.

Ballons im Zuschauerraum …

… und auf der Bühne

Der titelgebende Radetzkymarsch ist übrigens nie zu hören, nur zu erahnen … Aber man hat ihn sowieso im Ohr.

Empfehlung: 3*

https://www.burgtheater.at/de/spielplan/produktionen/radetzkymarsch/termine/2017-12-14/969351546/

https://de.wikipedia.org/wiki/Radetzkymarsch_(Joseph_Roth)

https://de.wikipedia.org/wiki/Johan_Simons

https://de.wikipedia.org/wiki/Radetzkymarsch_(1965)

Ausschnitt aus dem Film von 1965 (Regie Michael Kehlmann)

https://www.youtube.com/watch?v=2ckvG-9yq1c

Ausschnitt aus dem Film von 1994 (Regie Axel Corti, hier Gert Voss als Graf Chojnicki und Max von Sydow als Baron Franz von Trotta)

https://www.youtube.com/watch?v=UI2AUKuVQyg

Puppen und Toleranz: Lessings „Nathan der Weise“ im Volkstheater in Wien

Der vielseitige Regisseur Nikolaus Habjan, in erster Linie als Puppenspieler bekannt, hat sich Gotthold Ephraim Lessings Aufklärungsstück „Nathan der Weise“ vorgenommen und im Volkstheater inszeniert.

Da die Auftraggeber Habjan mitsamt seiner Puppen „gebucht“ hatten, er jedoch diese Art der Umsetzung nach intensiver Beschäftigung mit dem Stück nicht mehr wollte, griff er zu einem Trick: Der Jude Nathan bekam ein Alter Ego (eine Puppe), mit dem er hadernd in Zwiesprache treten und seine Gedanken darstellen kann. Günter Franzmeier als Nathan finde ich übrigens ausgezeichnet.

Nathan (Günter Franzmeier) mit seinem anderen Ich © http://www.lupispuma.com / Volkstheater

Im Stück geht es ja um Toleranz zwischen den drei großen Religionen Christentum, Judentum und Islam, das in der berühmten Ringparabel die Quintessenz zusammenfasst: Alle Religionen sind gleich viel wert. Ein hochaktuelles Thema, das durch Bühnenbild und Kostüme in die Gegenwart versetzt wird. Gerade das Bühnenbild, eine Drehbühne mit rauchenden Ruinen, hätte für meinen Geschmack reduzierter sein können.

Nathan (Günter Franzmeier, l.) erzählt Sultan Saladin (Gábor Biedermann, r.) die Ringparabel © http://www.lupispuma.com / Volkstheater

Gut, dass viele Jugendliche an diesem Abend im (ausverkauften) Theater saßen, denn damit sind zwei Fliegen mit einem Streich erledigt. Zum einen können sie über ein mehr als 200 Jahre altes Stück und dessen Aussagen zum friedlichen Nebeneinander nachdenken, zum anderen wird ein Klassiker der deutschen Literatur so aufgeführt, dass ihnen nicht Theaterbesuche für die Zukunft verleidet werden.

Empfehlung: 4*

https://de.wikipedia.org/wiki/Nathan_der_Weise

http://www.volkstheater.at/stueck/nathan-der-weise/

https://www.nikolaushabjan.com/

Festvorstellung für Peter Matić

Ich selbst konnte an diesem Termin nicht ins Theater gehen, habe mir aber aus verläßlicher Quelle berichten lassen, dass

  1. das Stück „Liebesgeschichten und Heiratssachen“ von Johann Nestroy sehr sehenswert ist und
  2. die Ehrung von Peter Matić nach der Vorstellung durch Direktion und Kollegen auf der Bühne anläßlich seines 80. (!) Geburtstages feierlich und berührend war.

Neben Theater und Film ist seine Stimme vor allem durch die Synchronisation von Ben Kingsley bekannt.

Hier seine Dankesrede:

https://de.wikipedia.org/wiki/Peter_Mati%C4%87

https://www.burgtheater.at/Content.Node2/home/spielplan/event_detailansicht.at.php?eventid=967958178

Im Schnelldurchlauf durch die griechische Mythologie – die „Orestie“ von Aischylos im Burgtheater

Dafür, dass ich mir einmal das ganze Stück (in drei Teilen) an einem Nachmittag und zwei Abenden zu Gemüte führte, war der Abend im Burgtheater, wo seit kurzem wieder die griechische Tragödie  „Orestie“ von Aischylos auf dem Programm steht, trotz Mord und Totschlag richtig entspannend . Zwei Stunden und ein bisschen, auf diese Länge wurde der Text zusammengestrichen. Sozusagen eine schnelle Nachhilfe in Sachen griechischer Mythologie. Konzentration auf den Text ist aber ein Muss, sonst kippt man aus dem Geschehen und verliert den Faden.

Der Chor, die Erinyen, schließlich die Eumeniden

© Reinhard Werner

Denn die Geschichte von Agamemnon und seiner Rückkehr aus dem Trojanischen Krieg, von seiner Frau Klytaimnestra, die sich in der Zwischenzeit mit Aigisthos Bett und Herrschaft teilt, und der Rache ihrer Kinder Orest und Elektra muss zu Beginn einmal vom Chor erzählt und aufbereitet werden.

Der Chor besteht am Burgtheater aus sieben Frauen (Caroline Peters, Maria Happel, Andrea Wenzl, Barbara Petritsch, Aenne Schwarz, Sarah Viktoria Frankl und Irina Sulaver), kaum zu unterscheiden in den weißen Lumpen und Masken. Zusätzlich schlüpft jede von ihnen noch in eine der wichtigsten Rollen der Tragödie. Eine großartige Leistung, auch wenn die Exaktheit des Chores im Laufe der Aufführung etwas nachlässt, denn der Text ist eben kein einfacher.

Stimmig: Ein sparsames Bühnenbild, über das sich nur beim Morden ein regelrechter Blutfluss ergießt. Oder beim triumphalen Einzug Agamemnons eine purpurne Schleppe legt.

Das Ende weist mit dem Auftritt der Athene in eine zivilisiertere Zukunft, wo nicht mehr persönliche Rache, sondern geordnete Rechtsprechung über Schuld oder Unschuld entscheiden.

so bunt wird es erst ganz am Ende

Regisseur Antú Romero Nunes hat durchaus gute Arbeit geleistet, die Figuren mit einigen Überraschungsmomenten spannend geführt, und wer weiß, wieviele Leute sich das Stück in voller (oder auch nur halber) Länge wirklich anschauen würden.

Empfehlung: 3*

https://www.burgtheater.at/Content.Node2/home/spielplan/event_detailansicht.at.php?eventid=967951884

https://de.wikipedia.org/wiki/Orestie

Neues aus Berlin, Teil 4: „Prinz Friedrich von Homburg“ mit dem Berliner Ensemble, Peymanns letzte Arbeit an diesem Theater

Vorausschicken muss ich, dass ich mit Klaus Peymanns ersten Inszenierungen am Wiener Burgtheater neue Lust am Theater bekam (jaja, ist schon sehr lange her). Und so hat es mich natürlich gereizt, zu schauen, was er mit dem Berliner Ensemble aus Kleists Stück herausholt.

Der Prinz und Natalie (Sabrin Tambrea, Antonia Bill)

Wie einige Stücke von Heinrich von Kleist ist auch dieses nicht ganz logisch und eher unwahrscheinlich, doch Peymann hat viel zusammengestrichen und den Text auf 1 ½ Stunden verkürzt. Nicht zum Schaden der Zuschauer, wie ich meine.

Auf einer Bühne (Achim Freyer), die irgendwie an eine kleinere Version der „Herrmannschlacht“ von seinerzeit erinnert, nimmt das Spiel um Krieg, absoluten Gehorsam und die Folgen bei Widerhandeln seinen Lauf.

Der Prinz, dargestellt von Sabrin Tambrea, ist kein energischer Kriegsherr, sondern ein versponnener Träumer, den man sich schwer als Befehlshaber und Schlachtengewinner vorstellen kann. Launig der Kunstgriff, dass Oberst Kottwitz von einer Frau (Carmen-Maja Antoni) gespielt wird.

Es ist solides, sehr gut gespieltes Klassik-Theater, das vermutlich nicht so stark in Erinnerung bleiben wird wie frühere Peymann-Inszenierungen.

Theater am Schiffbauerdamm

Theater am Schiffbauerdamm

Theater am Schiffbauerdamm

Das Theater am Schiffbauerdamm ist übrigens als Gebäude auch einen Besuch wert, ein historistisch-schön überladenes Haus, wo man auch auf den billigen Plätzen ganz oben eine extrem gute Sicht hat, da die Balkone steil ansteigen.

Empfehlung: 3*

https://www.berliner-ensemble.de/repertoire/titel/129

https://de.wikipedia.org/wiki/Prinz_Friedrich_von_Homburg_oder_die_Schlacht_bei_Fehrbellin

Ein Wahnsinnsstück für einen Wahnsinnsschauspieler: „Die Welt im Rücken“ im Akademietheater

Und das ist hier wörtlich gemeint: Thomas Melle, der deutsche Autor, leidet an einer bipolaren Störung bzw. manisch-depressiven Krankheit. Diese Krankheit beschrieb er schon in seinem 2016 erschienen Buch „Die Welt im Rücken“, die nun dramatisiert im Akademietheater uraufgeführt wurde.

nur die Tischtennisbälle …

Für die einzige Rolle des Stücks konnte man eigentlich keinen besseren als Joachim Meyerhoff finden, der seine Kindheit in einer psychiatrischen Anstalt verbrachte (sein Vater war Anstaltsdirektor, die Familie lebte auf dem Gelände) und seine Jugend  ja auch in den Projekt „Alle Toten fliegen hoch“ zum Thema macht.

wenige, aber sehr effektive Requisiten

Erleben kann man im Akademietheater einen fast dreistündigen Monolog, in dem die Auf und Abs der Krankheit aus der Sicht des Betroffenen erzählt werden: Bei Melle dauern die Phasen offenbar sehr lange, von bis zu einem Jahr ist die Rede. Wie empfindet der Kranke selbst die unterschiedlichen Zustände, wie wirkt er auf seine Umwelt, wie seine Umwelt auf ihn? Ich glaube, selten wurde diese Krankheit so unaufgeregt, zeitweise wirklich amüsant, dabei nie nach Mitleid heischend dargestellt.

Und über Joachim Meyerhoff ist bereits so viel gesagt und geschrieben worden, ich kann nur wiederholen: ein wirklicher Ausnahmeschauspieler, der in dem Stück (wie schon oft) an die Grenzen der körperlichen Belastbarkeit geht.

Regie: Jan Bosse, der auch für die Inszenierung von „Robinson Crusoe“ mit Meyerhoff verantwortlich war und dort Zuschauer und Schauspieler Platz tauschen ließ.

Wahrscheinlich wird es ein ziemliches G’riß um die Karten geben, auch die Stehplätze waren bummvoll.

Empfehlung: 4*

http://www.burgtheater.at/Content.Node2/home/spielplan/event_detailansicht.at.php?eventid=967883421

https://de.wikipedia.org/wiki/Thomas_Melle

https://de.wikipedia.org/wiki/Joachim_Meyerhoff

Arthur Millers „Hexenjagd“ leider erschreckend aktuell

Vordergründig gibt eine wahre Begebenheit im Salem (heute Massachusetts) des Jahres 1692 den Stoff für dieses Theaterstück (Uraufführung 1953), es wurde aber immer auch mit den Kommunistenverfolgungen der McCarthy-Ära in Verbindung gebracht. Das Thema ist auch heute brandaktuell: Es geht um Denunzierung, Massenwahn, Aberglauben und das Abdriften ganzer Gemeinschaften ins Irrationale.

der Verhandlungssal - düster wie der Rest des Stückes

der Verhandlungssal – düster wie der Rest des Stückes

Martin Kušej, der einige Jahre dem Burgtheater den Rücken gekehrt hatte, serviert schwierige Kost: eine düstere Bühne, vollgestellt mit einem Wald aus Kreuzen, und quälende Langsamkeit machen es den Zuschauern nicht leicht, bei wachen Sinnen zu bleiben. Im Programm sind 3 Stunden angekündigt, tatsächlich dauert es 3 Stunden 45 Minuten, mit der einzigen Pause nach mehr als 2 Stunden.

das großartige Ensemble

das großartige Ensemble

Hexenjagd

Vielleicht war ich schon auf darauf eingestellt, wenn es zu mühsam ist, wird gegangen. Und daher meine Überraschung, dass ich die Inszenierung überhaupt nicht langweilig gefunden habe. Schon lang, aber nicht langweilig.

Ich kann auch wieder nur von grandiosen schauspielerischen Leistungen berichten; sogar Michael Maertens spielte dieses Mal nicht Maertens, sondern den stellvertretenden Gouverneur.

Empfehlung: 3*

 

https://www.burgtheater.at/Content.Node2/home/spielplan/premieren/Hexenjagd.at.php

https://de.wikipedia.org/wiki/Hexenjagd_(Drama)

 

Wir haben ja Fasching: eine völlig überdrehte „Komödie der Irrungen“ im Burgtheater

Grellbuntes Treiben auf der ebenso bunten Bühne, Kostüme wie aus Zeichentrickfilmen oder Comics, grimassenschneidende Schauspieler: Wie immer bei Herbert Fritsch eine völlig durchgeknallte Situation. Diese Beständigkeit in seinen Inszenierungen muss man dem Regisseur lassen. Doch war ich von Molières „Eingebildetem Kranken“ restlos begeistert, haben sich die Ideen dann doch abgelutscht: Ein glänzender Bühnenboden, buntes Licht, irgendwo steht ein Instrument herum, das die Handlung musikalisch unterstützt, überagierende Figuren mit zuckenden Gliedmaßen und verzerrten Gesichtern. Einmal originell und phantasievoll – beim zweiten Mal nicht mehr lustig.

Die beiden Doppelzwillinge Antipholus (r., sebastian Blomberg) und Dromio (l. Simon Jensen)

Die beiden Doppelzwillinge Antipholus (r., sebastian Blomberg) und Dromio (l. Simon Jensen)

Für die Schauspieler und Schauspielerinnen bedeutet das wieder totalen Körpereinsatz, um die Geschichte von den beiden getrennten Zwillingspaaren zu erzählen. Dass dabei Shakespeares Text zwangsläufig in den Hintergrund tritt, ist klar.

Komödie der Irrungen

Komödie der Irrungen

Komödie der Irrungen

v.l.n.r.: Dorothee Hartinger, Stefabie Dvorak, Marta Kizyma

v.l.n.r.: Dorothee Hartinger, Stefabie Dvorak, Marta Kizyma

Sebastian Blomberg und Simon Jensen, die die (insgesamt 4) Zwillinge verkörpern, machen so wie alle anderen ihre Sache trotzdem sensationell gut. Belohnt wurden sie mit großem Applaus – ich glaube, dass v.a. sehr viele Fans aus Deutschland in meiner Vorstellung waren. Denn alle, mit denen ich gesprochen habe, fanden die Aufführung schrecklich. Soweit möchte ich nicht gehen, aber man sollte sich entscheiden, ob man sich Molière oder Shakespeare in einer Fritsch-Inszenierung anschaut. Beides ist eindeutig zu viel.

Empfehlung: 2*

https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Kom%C3%B6die_der_Irrungen

https://www.burgtheater.at/Content.Node2/home/spielplan/premieren/Komoedie_der_Irrungen.at.php

Ludwig II. nach dem Film von Luchino Visconti – eine interessante Auseinandersetzung im Akademietheater

Wie Regisseur Bastian Kraft eigentlich auf die Idee gekommen ist, den Visconti-Film von 1972 für die Bühne zu bearbeiten, weiß ich nicht. Auf der Hand liegt es nicht, aber es ist ein wirklich spannender Abend dabei herausgekommen.

v.l.n.r.: Johann Adam Oest, Regina Fritsch, Markus Meyer

v.l.n.r.: Johann Adam Oest, Regina Fritsch, Markus Meyer

Drei Personen bestreiten das Stück: Regina Fritsch als Kaiser Elisabeth, Johann Adam Oest als Richard Wagner und Markus Meyer als Bayernkönig Ludwig II. – und noch in einer Vielzahl weiterer Rollen (angefangen von seiner Mutter über seine Braut bis zu seinem Diener/Liebhaber und dem Priester).

die vielen Gesichter des Markus Meyer ©Reinhard Werner

die vielen Gesichter des Markus Meyer ©Reinhard Werner

Möglich wird das durch Videoeinspielungen und Projektionen, die die Figuren auf der Bühne mit den filmischen Charakteren interagieren lassen.

©Reinhard Werner

©Reinhard Werner

Zu Beginn steht der bayrische König in ganz weißer Kleidung mit langem Mantel da, eine ideale Projektionsfläche für alle und alles. Ähnlich ergeht es seiner Cousine Elisabeth, auch sie in schneeweißem Kleid mit Endlosschleppe. Ein weiterer Kunstgriff wird damit möglich, nämlich die Abbildung der anderen von  Meyer verkörperten Personen auf die weißen Stoffflächen am Boden.

Im Laufe der Zeit leidet die weiße Kleidung unter Ludwigs mittlerweile schmutzigen Händen, auch Elisabeth bekommt davon etwas ab. Solange, bis er am Ende alle Kleider ablegt und langsam ins Wasser steigt, in dem er den Tod finden wird.

©Reinhard Werner

Elisabeth und Ludwig ©Reinhard Werner

An der schauspielerischen Leistung aller drei gibt es gar nichts auszusetzen, doch Markus Meyer ist mit seiner Verwandlungskunst (mit Unterstützung der Maskenbildnerin) der eindeutige Star des Abends. Unglaublich, wie er nicht nur sein Aussehen, sondern Stimme und Persönlichkeit verändert!

Ich glaube, der Abend hätte auch als Theaterstück über Ludwig II. funktioniert, ohne die Hinweise auf die Filmproduktion von Luchino Visconti. So ist eine weitere Vexierbene eingefügt, die sich mir nicht ganz erschließt.

Wie auch immer: Das Stück ist jedenfalls sehenswert, die Schauspieler grandios und die viele Technik richtig eingesetzt. Und ein Anlass, wieder einmal die Film-Vorlage mit Helmut Berger als Bayernkönig anzuschauen.

Empfehlung: 4*

http://www.burgtheater.at/Content.Node2/home/spielplan/event_detailansicht.at.php?eventid=967355581

https://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_II._(Bayern)

https://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_II._(1972)

Märchenhaft – und ein absoluter Geheimtipp: Richard Teschners Figurentheater im Wiener Theatermuseum

Vielen Leuten ist das zauberhafte Figurentheater Richard Teschners leider unbekannt und das ist wirklich schade.

Blick auf die "Theaterbühne" © Theatermuseum

Blick auf die „Theaterbühne“ © Theatermuseum

Backstage mit voller Lichttechnik

Backstage mit voller Lichttechnik

Richard Teschner, ein Allround-Künstler des Jugendstils und des Art Décos, machte auf seiner Hochzeitsreise in Fernost Bekanntschaft mit indonesischen Stabpuppen und begann in Wien mit der Entwicklung eigener Figuren. Das erste Stück dieser Art wurde im Jahr 1913 uraufgeführt.

"Prinzessin" und "Buddha"

„Prinzessin“ und „Buddha“

Im Laufe der Zeit entstanden weitere Stücke und neue Figuren, vor allem aber verfeinerte Teschner die Mechanik der Puppen, indem zu den Stäben auch Fäden durch die Glieder eingezogen wurden, die zusätzliche Bewegungen erlaubten.

Mit einem nachgebauten "Zipizip" kann man es selbst probieren...

Mit einem nachgebauten „Zipizip“ kann man es selbst probieren…

Schließlich ergab sich ein wahres Gesamtkunstwerk, denn Teschner ließ eine spezielle Bühne bauen, eine Art Hohlspiegel, durch die sich wunderbare Lichteffekte erzeugen lassen. Das Licht, die Hintergrundbilder, die Musik, die kostbaren Kostüme  und die komplette Technik hinter der Bühne sowie die Inhalte der Stücke entsprangen Teschners Phantasie.

Die Textilrestauratorin Angela Sixt, die die Hauptverantwortliche für die Teschner-Figuren im Museum ist.

Die Textilrestauratorin Angela Sixt, die die Hauptverantwortliche für die Teschner-Figuren im Museum ist.

Die Originalbühne mitsamt Technik und ein Großteil der Figuren (mitsamt der Aufbewahrungsschränke) werden heute im Theatermuseum am Lobkowitzplatz in Wien erhalten, renoviert – und bespielt.

Die Musik wird über ein extra hergestelltes Polyphon widergegeben.

Die Musik wird über ein extra hergestelltes Polyphon widergegeben.

Denn vor Weihnachten gibt es die seltene Gelegenheit, die Stücke zu sehen und zu erleben. Die Kunst der Puppenführung wurde über Teschners Assistentin weitergegeben und wird heute von Thomas Ettl und seinem Team gepflegt.

Der "Sonnentänzer"

Der „Sonnentänzer“

Als Zuschauer wird man in eine märchenhafte exotische Welt entführt, jede Hektik bleibt draußen, wenn sich die feinen Puppen zu trancehafter Musik bewegen.

Im Aufbewahrungsschrank

Im Aufbewahrungsschrank

Es ist wirklich eine ganz besondere Art des Puppentheaters und ich würde mir wünschen, dass ein größeres Publikum die Möglichkeit eines Besuches nutzt.

Baupläne

Baupläne

Heuer steht noch das „Weihnachtsspiel“ auf dem Programm, und zwar am 12.12., 15.12., 21.12., 22.12. und 23.12., jeweils um 19 Uhr (telefonische Vorreservierung empfohlen!).

Empfehlung: 4*

 

https://de.wikipedia.org/wiki/Richard_Teschner

http://www.theatermuseum.at/vor-dem-vorhang/ausstellungen/teschners-figurenspiegel/

http://www.theatermuseum.at/nocache/kalender/