Neuigkeiten aus Paris, Teil 2: Jean Paul Gaultier – Ausstellung im Grand Palais

Man kommt aus dem Staunen gar nicht mehr heraus: Diese Fülle an Phantasie, Ideen, Stoffen, Materialien, es ist unglaublich! Und so muss Mode heute präsentiert werden, lebendig, spannend und ganz aus der Nähe. (s.u. Film anschauen!)

Jean Paul Gaultier

Nana, Gaultiers Teddybär, dem er bereits als Kind seine ersten Modelle verpaßte

Nana, Gaultiers Teddybär, dem er bereits als Kind seine ersten Modelle verpaßte

Seit 1. April macht die große Wanderausstellung (nach Montreal, San Francisco, New York, London… ) nun auch in Jean Paul Gaultiers Heimatstadt Paris Station.

Jean Paul Gaultier   Jean Paul Gaultier

Jean Paul Gaultier Jean Paul Gaultier Jean Paul Gaultier Korsetts...

Schwerpunktthemen wie „Korsett“, „Matrosen und Meerjungfrauen“ oder „Punk Cancan“ zeigen seine Lieblingsthemen, die Räume sind übersichtlich gestaltet, die Kreationen / Objekte gut beschriftet.

Jean Paul Gaultier Jean Paul Gaultier Jean Paul Gaultier Jean Paul Gaultier

Erlaubt ist auch, die Modelle aus der Nähe zu betrachten und zu fotografieren. Und dabei wird deutlich, warum Gaultier nicht nur ein lustiger Modemacher ist, sondern seit vielen Jahren zur ersten Garde zählt: mit schier unerschöpflichem Ideenreichtum ausgestattet, sich selbst nicht ganz ernst nehmend und dabei handwerklich immer perfekt arbeitend.

Bis 3. August 2015, Dienstag geschlossen, Karten online im Vorverkauf empfohlen!

Empfehlung: 4*

Klicke, um auf Depliant_JPG_EN.pdf zuzugreifen

http://www.grandpalais.fr/fr/evenement/jean-paul-gaultier

Labiches „Die Affäre Rue de Lourcine“ im Burgtheater – a waste of time

Es ist schon lange her, dass ich mich im Theater so gelangweilt habe wie in Eugène Labiches Albtraumschwank „Die Affäre Rue de Lourcine“ im Burgtheater. In 1 ½ Stunden ist es zwar vorbei, doch auch die sind zu lange.

Die Affäre Rue de Lourcine  Die Affäre Rue de Lourcine

Das Stück wäre in gut 45 Minuten zu spielen, mit dem nötigen Tempo und dem Schwung, die dem französischen Vaudeville-Theater eigen waren. Aber so!

Die beiden Hauptdarsteller Nicholas Ofczarek und Michael Maertens müssen sich in Zeitlupe bewegen, ewig lange Pausen zwischen den Gesprächen entstehen lassen und die ganze Zeit restalkoholisierte Deppen darstellen (was die Rollen ja auch verlangen, aber bitte nicht so mühsam und nervig). Dass es immer einige Zuschauer gibt, die anscheinend jedes Stolpern lustig finden, verwundert dann doch etwas – denn lustig habe ich hier tatsächlich nichts gefunden! Schade, denn vor lauter Fadesse vergisst man hinter die Kulissen zu schauen, wo doch einiges an Kritik und Ironie verborgen wäre.

v.l.n.r.: Markus Meyer, Michael Maertens, Maria Happel, Nicholas Ofczarek, Peter Matic

v.l.n.r.: Markus Meyer, Michael Maertens, Maria Happel, Nicholas Ofczarek, Peter Matic

Michael Maertens, Maria Happel, Nicholas Ofczarek, Peter Matic

Michael Maertens, Maria Happel, Nicholas Ofczarek, Peter Matic

Und gerade kam mir eine ausführliche Kritik unter, der ich mich voll anschließen kann: http://www.der-neue-merker.eu/wien-burgtheater-die-affaere-rue-de-lourcine

Empfehlung: 1*

http://www.burgtheater.at/Content.Node2/home/spielplan/event_detailansicht.at.php?eventid=963965912

Neuigkeiten aus Paris, Teil 1: Die Fondation Louis Vuitton

Mitten im Bois de Boulogne erhebt sich seit Herbst 2014 wie ein Riesenkristall das Gebäude der Fondation Louis Vuitton, einer privaten Kunststiftung des französischen Luxusartikelkonzerns LVMH.

Fondation Louis Vuitton

Fondation Louis Vuitton

Die Architektur von Frank O. Gehry beeindruckt auf jeden Fall, ist eine ineinander verschachtelte Komposition aus viel Glas auf 6 Ebenen, in der man auch die Orientierung verlieren kann. Ausstellungsräume, die in erster Linie Werke der Moderne bzw. Zeitgenössisches zeigen, Sichtachsen auf Pariser Wahrzeichen, Wasserspiele innen und außen: Zweifellos ist hier einer der aufregendsten Museumsbauten der letzten Jahre gelungen.

Fondation Louis Vuitton  Fondation Louis Vuitton

Fondation Louis Vuitton

Umso ärgerlicher sind bei dieser Menge an verbautem Geld die kleinen, nicht bis zum Ende gedachten Details, die den Betrieb stören: Sei es die Organisation des Shuttle-Busses von und zu Étoile, wo sich die Besucher völlig unkoordiniert in die Fahrzeuge drängen, sei es die viel zu kleine Garderobe, an der ein einziger Mitarbeiter die lange Schlange von Ankommenden und Gehenden betreuen soll, sei es das offenbar fehlende Vordach, das die Mitarbeiter zwingt, in der prallen Sonne Schirme zu verwenden….

Ohne Sonnenschirme zergehen die Mitarbeiter vor dem Eingang ...

Ohne Sonnenschirme zergehen die Mitarbeiter vor dem Eingang …

Aber ich will ja nicht nur meckern, neben dem Gebäude überzeugt auch die Qualität der aktuellen Ausstellung „Les clefs d‘une passion“, die eine Auswahl an Meisterwerken der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zeigt, die aus der ganzen Welt ausgeliehen wurden.

Fondation Louis Vuitton

Ein wahres Namedropping der Kunstgeschichte: Francis Bacon, Otto Dix, Alberto Giacometti, Kazimir Malevich. Edvard Munch, Ferdinand Hodler, Claude Monet, Piet Mondrian, Henri Matisse, Emil Nolde und viele mehr. Das macht allerdings auch einen roten Faden durch die Ausstellung etwas schwierig, nur in manchen Räumen ist (zumindest für mich) eine gemeinsame Linie auszumachen.


Daneben sind in den oberen Stockwerken Werke aus der eigenen Kollektion zu sehen, ein umfangreiches musikalisches Programm lockt zusätzlich Publikum in den Bois de Boulogne.

 

Tipps:

  • Unbedingt die Tickets vorher online kaufen.
  • Am besten kommt man mit dem Shuttle-Bus um 1 Euro von Étoile bis direkt vor die Türe.
  • In der Garderobe werden nur Mäntel und Rucksäcke angenommen, keine Handtaschen.
  • Wunderbare Aussichten auf den Terrassen auf Ebene 3 + 4.
  • Kurzführungen (15 Minuten) beginnen zu jeder vollen Stunden an entsprechend gekennzeichneten Stellen, keine Anmeldung nötig.
  • Auch Zeit für die Außenraumgestaltung mit den Wasserspielen und einem Spaziergang einplanen.

http://www.fondationlouisvuitton.fr

http://de.wikipedia.org/wiki/Stiftung_Louis_Vuitton

http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/frank-gehry-fondation-louis-vuitton-eroeffnet-in-paris-a-998216.html

Eine schrecklich nette Familie: Tolstois „Die Macht der Finsternis“

Ich gebe es zu: Von Leo Tolstois Theaterstück „Die Macht der Finsternis“ – aktuell im Akademietheater in Wien – habe ich vorher noch nie etwas gehört. Gierige Bauern und ihre liederlichen Knechte, mordende Bäuerinnen, verrückte Mädchen: Das ist das Personal in diesem Stück, das tief in die menschlichen Abgründe blicken lässt. Umso höher baut sich das Bühnenbild aus grauen Säcken auf, wirklich imposant entstehen schöne monochrome Bilder, die am Ende mit einer folkloristischen Hochzeit gefärbt werden.

Fabian Krüger, Johannes Krisch

Fabian Krüger, Johannes Krisch

Überraschend waren durchaus komische Momente (Kirsten Dene!), doch im zweiten Teil wird es leider etwas langatmig.

Die Macht der Finsternis  Die Macht der Finsternis

Die Macht der Finsternis

Empfehlung: 2*

http://www.burgtheater.at/Content.Node2/home/spielplan/event_detailansicht.at.php?eventid=963999365

http://de.wikipedia.org/wiki/Lew_Nikolajewitsch_Tolstoi#Werke_.28Auswahl.29

Neu gebaut: Der australische Pavillon auf der Biennale in Venedig

Nach der Baustelle im letzten Jahr in den Giardini der Biennale in Venedig kann heuer der neu errichtete Pavillon des australischen Architekturbüos Denton Corker Marshall besucht werden.

Foto: John Gollings

Foto: John Gollings

Foto: John Gollings

Foto: John Gollings

Die Multimedia-Installation „Wrong Way Time“ der Künstlerin Fiona Hall ist zugleich die Eröffnungsausstellung im neuen australischen Pavillon auf der Kunst-Biennale ab 9. Mai.

Bauteile auf dem Weg zu den Giardini  Foto: Denton Corker Marshall

Bauteile auf dem Weg zu den Giardini
Foto: Denton Corker Marshall

http://www.dentoncorkermarshall.com/

http://www.labiennale.org/en/calendar/art.html?back=true

Das Stadtpalais Liechtenstein in Wien

Vor zwei Jahren hat das Wiener Stadtpalais der Familie Liechtenstein nach jahrelanger aufwendiger Renovierung wieder geöffnet. Obwohl es längst kein Geheimtipp mehr ist, haben doch viele noch keinen Rundgang unternommen.

Stadtpalais Liechtenstein  Stadtpalais Liechtenstein

Es ist nicht möglich, einfach vorbeizukommen und eine Eintrittskarte zu lösen, sondern man kann nur im Rahmen einer Führung und gegen Voranmeldung die Prunkräume besichtigen.

Stadtpalais Liechtenstein  Stadtpalais Liechtenstein

Aber hallo! Diese Prunkräume haben es tatsächlich in sich. Eigentlich bin ja kein Fan von übertriebener Dekoration, aber hier ist es so speziell, dass man diesem Prunk auch eine gewisse Eleganz nicht absprechen kann.

Stadtpalais Liechtenstein  Stadtpalais Liechtenstein

Ich möchte hier nicht näher auf die Geschichte des Gebäudes und die massiven Kriegsschäden eingehen, auch nicht auf die beispiellose und kostenintensive Restaurierung oder auf die wertvolle Kunstsammlung des Fürsten, die in Teilen ausgestellt ist. Ich möchte vielmehr mit einigen Bildern Lust auf einen Besuch in diesem beeindruckenden Palais machen. Oder man lässt sich zu einem der Events in die Räumen einladen …

Stadtpalais Liechtenstein        Stadtpalais Liechtenstein

https://www.palaisliechtenstein.com/de/startseite.html

http://de.wikipedia.org/wiki/Stadtpalais_Liechtenstein

Eröffnungswochenende im Literaturmuseum am 18. und 19. April, Eintritt frei

Mit großem Programm öffnet das neue Literaturmuseum der Österreichischen Nationalbibliothek am 18. und 19. April offiziell seine Pforten: Führungen, Lesungen, Gratiseintritt und für jeden 100. Besucher das Begleitbuch „Das Literaturmuseum. 101 Objekte und Geschichten“.

Das neue Museum ist in den denkmalgeschützten Räumen des ehemaligen k.k. Hofkammerarchivs untergebracht, wo im 19. Jahrhundert der Schriftsteller Franz Grillparzer als Archivdirektor werkte.

Ort:
Literaturmuseum der Österreichischen Nationalbibliothek Grillparzerhaus, Johannesgasse 6, A-1010 Wien

Programm:
Samstag, 18. April 2015, 10.00-18.00 Uhr
11.00 Uhr Lesung von Teresa Präauer
13.00 Uhr Lesung von Franzobel
14.00 Uhr Lesung von Elisabeth Reichart
15.00 Uhr Lesung von Martin Pollack
16.00 Uhr Lesung von Friederike Mayröcker
17.00 Uhr Vorstellung des neuen Museums durch Generaldirektorin Johanna Rachinger
Kurzführungen durch das Museum um
11.30, 13.30, 14.30, 15.30,  16.30 Uhr

Sonntag, 19. April 2015, 10.00-18.00 Uhr
11.00 Uhr Lesung von Dimitré Dinev
13.00 Uhr Lesung von Anna Kim
14.00 Uhr Lesung von Peter Henisch
15.00 Uhr Lesung von Julya Rabinowich
16.00 Uhr Lesung von Robert Menasse
17.00 Uhr Vorstellung des neuen Museums durch Generaldirektorin Johanna Rachinger
Kurzführungen durch das Museum um
11.30, 13.30, 14.30, 15.30,  16.30 Uhr

http://www.onb.ac.at/literaturmuseum.htm

Italienische Reise #5: Crespi d’Adda: Ein Geheimtipp in der Lombardei

Ungefähr auf halbem Weg zwischen Mailand und Bergamo stößt man auf ein Kleinod der Industriearchitektur und auf eine frühe „ideale“ Werkssiedlung für die Arbeiter: Crespi d’Adda, seit 1995 Weltkulturerbe der UNESCO.

Crespi d'Adda  Crespi d'Adda

Die Unternehmerfamilie Crespi gründete 1878 am Ufer des Flusses Adda eine Textilfabrik und begann den Ort nach den damaligen Idealvorstellungen für sich und die Mitarbeiter anzulegen: Neben den Fabriksgebäuden entstanden das Eigentümerschloß, Arbeiterhäuser mit kleinen Gärten, aufwendigere Häuser für die leitenden Angestellten, eine Kirche, Sozialräume, ein Waschhaus, Schule, Kindergarten und schließlich, etwas abgelegen, ein Friedhof. Somit schien das ganze Leben mit der Fabrik verbunden und der Unternehmer stellte die Infrastruktur sowohl für die Arbeit als auch für das Privatleben und die Freizeit zur Verfügung.

Crespi d'Adda  Crespi d'Adda

Obwohl Ende der 20er-Jahre der wirtschaftliche Niedergang einsetzte und die Fabrik schließlich 2003 endgültig gesperrt wurde, ist die gesamte Anlage bis heute nahezu unverändert erhalten. Ein Spaziergang durch den Ort lohnt sich auf jeden Fall, die Häuser sind nach wie vor bewohnt und in den letzten Jahren wurde mit der Renovierung der Fabrik und anderer Einrichtungen begonnen.

Crespi d'Adda  Crespi d'Adda

Abgesehen von den schönen Industriegebäuden aus dem 19. Jahrhundert fasziniert die Anlage einer Idealstadt oder, wie die UNESCO formulierte: „Ein außergewöhnliches Beispiel des Phänomens Arbeiterstadt, als vollständigstes und am besten erhaltenes in Südeuropa“.

Crespi d'Adda  Crespi d'Adda

 

Tipps:

  • Bester Aussichtspunkt über die Gesamtanlage: hinter der Kirche am Hügel gibt es ein Aussichtsbrücke mit Erklärungen
  • Wie kommt man hin? Autobahn Mailand – Bergamo, Ausfahrt Capriate, ab hier ist der Weg ausgeschildert.

Crespi d'Adda  Crespi d'Adda

Empfehlung: 4*

http://www.villaggiocrespi.it/

Das letzte Abendmahl (um 1306) von Giotto di Bondone

Giotto di Bondone, Das Letzte Abendmahl (München, Alte Pinakothek)

Giotto di Bondone, Das Letzte Abendmahl (München, Alte Pinakothek)

In der Alten Pinakothek in München hängt Giottos (1267-1337) kleines Tafelbild, das das letzte Abendmahl als Motiv hat. Der spätere König Ludwig I. von Bayern hatte es als Kronprinz von einer seiner Italienreisen mitgebracht. Wahrscheinlich war es ursprünglich Teil eines Altaraufsatzes in der Kirche San Francesco in Rimini.

Die Szene zeigt den Moment, als Jesus das Brot an Judas gibt, als Zeichen, dass er der Verräter sein wird.

„Die Schutzbefohlenen“ im Burgtheater: Elfriede Jelineks Nichttheaterstück

Eindeutig handelt es sich hier um kein Theaterstück, schon gar keines im klassischen Sinn, sondern um einen Text von Elfriede Jelinek, der mit atemberaubenden Mitteln auf die Bühne des Burgtheaters gebracht wurde. Sie schrieb dieses Werk anlässlich des Kirchenasyl(streits) in der Wiener Votivkirche, als 60 Asylsuchende die Kirche besetzten.

©Reinhard Werner Burgtheater

© Reinhard Werner Burgtheater

Regisseur Michael Thalheimer hat diesen Text nun auf 90 Minuten gekürzt und das ist gut so.

Ein ungemein exakter und deutlicher Chor, bestehend aus 7 Schauspielerinnen und 9 Schauspielern, geleitet von einem Chordirigenten, deklamiert Jelineks kunstvolle Worte. Es ist eine große anonyme Masse, aus der sich manchmal einzelne Figuren lösen, ohne dass sie zu tatsächlichen Theaterfiguren werden.

©Reinhard Werner Burgtheater

© Reinhard Werner Burgtheater

Auf einer ganz reduzierten schwarzen Bühne, die nur durch ein Riesenkreuz im Hintergrund erleuchtet wird und auf der ansonsten der ganze Boden unter Wasser steht, arbeiten sich die Schutzbefohlenen (=Flüchtlinge) nach vorne. Mit Masken, die nur manchmal abgelegt werden, um ein wenig Persönlichkeit zu zeigen.

Die Schutzbefohlenen

Der Text besteht aus 90 Minuten Anklage, frontal ins Publikum geworfen. Und das ist auch mein einziger Kritikpunkt: Der eineinhalbstündige moralische Zeigefinger (allerdings formal grandios umgesetzt), mit dem Jelinek ziemlich selbstgerecht fuchtelt.

Empfehlung: 3*

http://www.burgtheater.at/Content.Node2/home/spielplan/event_detailansicht.at.php?eventid=963462761