Großes Theater: „Spettacolo barocco!“ im Theatermuseum

Es ist DIE Ausstellung im Theatermuseum in Wien. „Spettacolo barocco! Triumph des Theaters“ hätte keinen besseren Rahmen finden können als das barocke Stadtpalais des Fürsten Lobkowitz (ursprünglich Palais Dietrichstein, erbaut 1685-1687), in dem sich seit 1991 das Theatermuseum befindet. Ein Grund, zu feiern und eine der wichtigsten Ausstellungen zur Theatergeschichte endlich zu realisieren!

Kuratiert wurde die Ausstellung von Andrea Sommer-Mathsi (gemeinsam mit Daniela Franke, Rudi Risatti und Alexandra Steiner-Strauss)

Kuratiert wurde die Ausstellung von Andrea Sommer-Mathis (gemeinsam mit Daniela Franke, Rudi Risatti und Alexandra Steiner-Strauss)

Das Theatermuseum verfügt über eine Fülle an Objekten zu diesem Thema und konnte aus dem Vollen schöpfen, ergänzt durch spektakuläre Leihgaben z.B. aus Český Krumlov.

Kaiser Leopold I. mit seiner Frau Margarita Teresa in Kostümen für "La Galatea" 1667

Kaiser Leopold I. mit seiner Frau Margarita Teresa in Kostümen für „La Galatea“ 1667

Bei cder Eröffnung gab sich Leopold I. dei Ehre :)

Bei der Eröffnung gab sich Leopold I. die Ehre 🙂

Gerade im Theater wurde die barocke Üppigkeit besonders gut um- und eingesetzt, wobei hier nicht nur Theateraufführungen im heutigen Sinn zu verstehen sind, sondern auch pompöse Opernaufführungen, Rossballette, inszenierte Schlittenfahrten, Festzüge, höfische Feste und kirchliche Inszenierungen.

Ein Film zeigt das Heilige Grab im Stift Zwettl, das wie eine Theaterbühne aufgebaut ist.

Ein Film über das Heilige Grab im Stift Zwettl, das wie eine Theaterbühne aufgebaut ist.

Originalkostüme aus Český Krumlov

Originalkostüme aus Český Krumlov

Theaterhut aus der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts

Theaterhut aus der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts

Schuhe mit stilisierten Krallen, 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts

Schuhe mit stilisierten Krallen, 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts

All diese Facetten werden in der umfangreichen Schau gezeigt – es ist auch ein Fest fürs Auge: bunte Originalkostüme und Masken, Kulissen, Regenmaschinen, Bilder des Kaisers im Opernkostüm und vieles mehr entführen in die Welt des Barock.

Kostümdetail

Kostümdetail

„Spectacle müssen seyn“ (Zitat Maria Theresia?) – auch heute noch. Und dafür lohnt sich der Besuch im Theatermuseum!

Pantalone, Arlecchino, CapitanoLodovico ( Ottavio Burnacini, Wien um 1680) © Theatermuseum, Wien

Pantalone, Arlecchino, CapitanoLodovico ( Ottavio Burnacini, Wien um 1680) © Theatermuseum, Wien

Der Wettstreit von Luft und Wasser. Die Luft, Festwagen, Wiener Rossballett, 1667 (Kupferstich von Gerard Bouttats nach Nikolaus van Hoy) © Theatermuseum, Wien

Der Wettstreit von Luft und Wasser. Die Luft, Festwagen,
Wiener Rossballett, 1667
(Kupferstich von Gerard Bouttats nach
Nikolaus van Hoy)
© Theatermuseum, Wien

Fortsetzung folgt mit „Feste feiern“ im Kunsthistorischen Museum …

Tipps:
• Kuratorenführungen
• Theater- und Musikaufführungen
• Commedia dell’arte-Workshop

Empfehlung: 4*

http://www.theatermuseum.at/

http://www.theatermuseum.at/vor-dem-vorhang/ausstellungen/spettacolo-barocco/

WTF – Große Fragezeichen nach Handkes „Die Unschuldigen, ich und die Unbekannte am Rand der Landstraße“ im Burgtheater

Vielleicht bin ich zu blöd, um dieses „Theaterstück“ zu verstehen, doch tröstlich ist, dass es fast allen, mit denen ich gesprochen habe, auch so ergangen ist. Ratlose Gesichter in der Pause, leere Plätze nach der Pause – durchaus theateraffine Menschen wussten mit der Uraufführung von Peter Handkes „Die Unschuldigen, ich und die Unbekannte am Rand der Landstraße“ im Wiener Burgtheater nichts anzufangen. Genauso sperrig wie der Titel ist der ganze Abend, immerhin 3 Stunden lang.

Die Unschuldigen dringen in die Landstraße ein

Die Unschuldigen dringen in die Landstraße ein

v.l.n.r.: Regina Fritsch, Christopher Nell, Martin Schwab, Maria Happel

v.l.n.r.: Regina Fritsch, Christopher Nell, Martin Schwab, Maria Happel

Handke und Claus Peymann als Regisseur sind ein Dreamteam seit nunmehr 50 Jahren, doch hier ist der Traum für mich ausgeträumt. Das liegt eindeutig am Text, bei dem man sich dauernd fragt, was das jetzt eigentlich bedeuten soll. Poetik, Träumereien, Puck, Caliban, Godot – vielleicht eignet er sich mehr zum Lesen als zum Aufführen. Die Regie holt hier sowieso ein Maximum heraus und die Schauspieler und Schauspielerinnen sind großartig: Christopher Nell, den Peymann aus Berlin mitgebracht hat, Martin Schwab, aber auch Maria Happel und Regina Fritsch.

Christoph Nell als Handkes Alter Ego...

Christoph Nell als Handkes Alter Ego…

... aber auch als ein Shakespeare-Narr

… aber auch als ein Shakespeare-Narr

Die Hauptrolle spielt für mich aber die Landstraße im wirklich schönen Bühnenbild von Karl-Ernst Herrmann.

Die Landstraße (Bühnenbild Karl-Ernst Herrmann) © Georg Soulek

Die Landstraße (Bühnenbild Karl-Ernst Herrmann) © Georg Soulek

Die Zeit kann man sich übrigens damit vertreiben, die vielen Zitate und Anspielungen zu erkennen, die Handke in den Text gestreut hat …

Viele Plätze blieben nach der Pause leer...

Viele Plätze blieben nach der Pause leer…

Empfehlung: 1* – trotz großteils guter bis sehr guter Kritiken in diversen Medien

http://www.burgtheater.at/Content.Node2/home/spielplan/event_detailansicht.at.php?eventid=965170594

https://de.wikipedia.org/wiki/Peter_Handke

http://handkeonline.onb.ac.at/

https://de.wikipedia.org/wiki/Claus_Peymann

Daumen drücken bei der Oscarverleihung für „Alles wird gut“!

Mit Patrick Vollrath wurde ein Absolvent der Filmakademie Wien für einen Oscar nominiert. Sein Film „Alles wird gut“ konnte schon eine lange Liste an Preisen einheimsen und so ist die Nominierung in der Kategorie „Best Live Action Short Film“ die fast logische Folge.

Der gebürtige Deutsche Vollrath studierte in Wien Regie bei Michael Haneke und reichte den Kurzfilm als seine Abschlussarbeit und gleich bei mehreren Festivals ein. Mit Erfolg, erhielt er doch den Student Academy Award in Bronze (2015), den Österreichischen Filmpreis (2016) für die Kategorie „Bester Kurzfilm“ und noch einiges mehr. Immerhin steht als Produktionsland Deutschland / Österreich in den Credits und so können wir mit gutem Grund am 29. Februar in den frühen Morgenstunden mitfiebern.

Während der Oscarnacht wird der Film auf ORF 1 um 01:00 gezeigt, anschließend folgt live die Übertragung der Preisverleihung.

Alternative zum Patschenkino: Im Gartenbaukino werden um 21:00 Uhr alle 5 nominierten Kurzfilme gezeigt, bevor es auch hier ab 01:30 zur Liveübertragung geht, heuer übrigens schon zum 10. Mal!

http://www.mdw.ac.at/filmakademie/de/film/alles-wird-gut/

http://www.patrickvollrath.com/#!awgdeutsch/c1peq

https://de.wikipedia.org/wiki/Patrick_Vollrath

https://de.wikipedia.org/wiki/Alles_wird_gut_%282015%29

http://www.oscars.org

http://www.gartenbaukino.at/programdetail/program/oscarR-nacht-2016.html

Almas kleiner Fotograf – ein ungeschminkter Blick auf die Familie Mahler-Werfel-Moll

Ein außergewöhnliches Filmdokument hatte am letzten Sonntag, 07.02., im Wiener Filmcasino in ungekürzter Fassung Premiere. „Almas kleiner Fotograf“ lässt den hochbetagten Erich Rietenauer über sein Verhältnis zum Künstlerhaushalt Mahler-Werfel-Moll erzählen.

Erich Rietenauer inmitten seiner Erinnerungen (Filmausschnitt)

Erich Rietenauer inmitten seiner Erinnerungen (film still)

Der kleine Bub aus ärmsten Verhältnissen traf auf einer Wohltätigkeitsveranstaltung Anfang der 30er-Jahre auf Alma Mahler-Werfel und landete schließlich fast als Teil der Familie im Haushalt ihrer Mutter und ihres Stiefvaters Carl Moll, die in der Nachbarschaft von Alma und Franz Werfel wohnten.

Der „Burschi“ genannte Erich Rietenauer bekam so unmittelbar Einblick in das Leben von Alma Mahler und Franz Werfel, traf Persönlichkeiten wie Walter Gropius und Gerhart Hauptmann und spricht über seine ganz besondere Freundschaft mit Almas Tochter Manon Gropius. Als Neffe eines Fotografen hielt der kleine Bub so viel wie möglich mit seiner Kamera fest und knipste private Bilder der Familie und ihrer Freunde.

Almas kleiner Fotograf mit einem Bild von Alma und Manon

Almas kleiner Fotograf mit einem Bild von Alma und Manon

Den beiden Filmemacherinnen Susanne Ayoub (Buch und Regie) und Regina Liane Löw (Kamera und Schnitt) ist es gelungen, Herrn Rietenauer, inmitten seiner Fotos und Erinnerungen, als humorvollen und spannenden Erzähler zu zeigen. Trotz seines damals kindlichen Alters sieht er nicht alles rosafarben und er schildert einiges, wie z.B. Almas Persönlichkeit, durchaus kritisch.

Gespräch mit Regina Liane Löw, Susanne Ayoub und Wolfgang Pillmaier (v.r.n.l.)

Gespräch mit Regina Liane Löw, Susanne Ayoub und Wolfgang Pillmaier (v.r.n.l.)

Leider ist in nächster Zeit keine weitere Aufführung bzw. Ausstrahlung im TV geplant. Sollte sich daran etwas ändern, werde ich darauf hinweisen, denn der Film erhält von mir das Prädikat „Besonders wertvoll“.

https://de.wikipedia.org/wiki/Alma_Mahler-Werfel

https://de.wikipedia.org/wiki/Susanne_Ayoub

Und zum Anhören (Tom Lehrer „Alma“):

Mein Besuch im Filmcasino ist auch ein Anlass, über dieses schöne Kino und sein interessantes Programm zu berichten (Spezialschienen „Kino & Kuchen“, ArchFilm Matinée uvm.)

Filmcasino Wien (Foto: Sascha Schaumburg)

Filmcasino Wien (Foto: Sascha Schaumburg)

Filmcasino Wien, Foyer (Foto: Linda Nepicks)

Filmcasino Wien, Foyer (Foto: Linda Nepicks)

http://www.filmcasino.at/

Alles happy? „The Happy Show“ und Stefan Sagmeisters Auseinandersetzung mit dem Glück

The Happy Show

Es ist eine sehr persönliche Sicht des Glücks, die der österreichische Grafikdesigner Stefan Sagmeister im Rahmen der Ausstellung „The Happy Show“ im MAK zeigt: seine Gedanken darüber, seine Ängste, was zählt für ihn, was hat er in seinem Tagebuch über viele Jahre niedergeschrieben.

The Happy Show

An vielen Stellen werden die Besucher aufgefordert, etwas zu tun, etwas mitzunehmen oder etwas zu zeichnen. Nicht alle interaktiven Spielereien sind wirklich neu, aber trotzdem ist es lustig, mitzumachen oder zumindest zuzuschauen. Man kann Münzen aufklauben, die andere Besucher in ein Rohr im 1. Stock geworfen haben oder angebotene Ingwerzuckerln und Kaugummis naschen. Oder man soll ein glückliches Tier zeichnen, das dann in dem Video „Animal Parade“ landen könnte.

Bitte probieren Sie eines: Sagmeisters Lieblingszuckerln aus Indonesien

Bitte probieren Sie eines: Sagmeisters Lieblingszuckerln aus Indonesien

Danke, ich habe probiert - schmeckt gut.

Danke, ich habe probiert – schmeckt gut.

Zeichnen Sie hier ein Tier, von dem Sie meinen, dass es ihm gut geht.

Zeichnen Sie ein Tier, von dem Sie meinen, dass es ihm gut geht.

Tiere, denen es gut geht. Gezeichnet von Besuchern der Happy Show in Paris (Video)

Tiere, denen es gut geht. Gezeichnet von Besuchern der Happy Show in Paris (Video)

Wie glücklich sind Sie? Auf einer Skala von 1-10? Nehmen Sie einen Kaugummi aus dem entsprechenden Automaten

Wie glücklich sind Sie? Auf einer Skala von 1-10? Nehmen Sie einen Kaugummi aus dem entsprechenden Automaten.

Statistiken über das Glück geben – natürlich grafisch sehr ansprechend aufbereitet – Auskunft darüber, in welchem Alter der Mensch am glücklichsten ist, wie glücklich Verheiratete sind (mehr als Unverheiratete!) und welches Einkommen im Durchschnitt am glücklichsten macht.

The Happy Show

The Happy Show

Das ideale Gehalt liegt bei 85.000 USD/Jahr - zum Glücklichsein.

Das ideale Gehalt liegt bei 85.000 USD/Jahr – zum Glücklichsein.

Dazwischen tolle Filme und Bilder, die sich oft anders entwickeln als erwartet. Auch die WCs und Lifttüren sind ins Ausstellungskonzept einbezogen – also auch dort einen Besuch einlegen.

The Happy Show

The Happy Show

Stefan Sagmeister hat es geschafft: Der Vorarlberger kam über ein Studium an der Universität für angewandte Kunst in Wien nach New York, Hongkong und landete schließlich endgültig im Big Apple. Dort baute er sein Studio auf, das v.a. durch CD-Cover (u.a. für die Rolling Stones und Aerosmith) bekannt wurde. Neben seiner vielseitigen grafischen Arbeit nimmt er sich auch immer wieder Auszeiten, um zu meditieren, sich inspirieren zu lassen oder sich eben auf die Suche nach dem Glück zu machen.

Diese Ausstellung wird Sie nicht glücklicher machen.

Diese Ausstellung wird Sie nicht glücklicher machen.

Wie gesagt: Sehr persönlich, die ganze Schau, mit ausgeprägtem Hang des Künstlers zur Selbstdarstellung, aber auf jeden Fall sehens- und erlebenswert.

Die Ausstellung ist bis 28.03.2016 geöffnet, jeden Dienstag ab 18:00 Uhr Eintritt frei.

Empfehlung: 3*

http://www.mak.at/jart/prj3/mak/main.jart?content-id=1343388632770&rel=de&article_id=1419779770306&reserve-mode=active

http://www.sagmeisterwalsh.com/

https://de.wikipedia.org/wiki/Stefan_Sagmeister

John Hopkins „Diese Geschichte von Ihnen“ – Gewaltorgien im Akademietheater

Gleich vorweg: Es bleibt einem im Laufe der über dreistündigen Aufführung mehr als einmal die Luft weg, entsetzte Aufschreie sind da und dort zu hören, manche verlassen das Theater vorzeitig.

Großartige Schauspielkunst: v.l.n.r. Roland Koch, August Diehl, Andrea Clausen, Nicholas Ofczarek

Großartige Schauspielkunst: v.l.n.r. Roland Koch, August Diehl, Andrea Clausen, Nicholas Ofczarek

Das Stück selbst ist in drei Akte geteilt, kammerspielartig mit jeweils zwei Hauptpersonen. Es geht um den kleinen Polizisten Johnson (Nicholas Ofczarek), der während eines Verhörs den Verdächtigen so zugerichtet hat, dass er kurz darauf im Spital verstirbt.

Zu Beginn liefert er sich ein Duell mit seiner Frau (Andrea Clausen), der er von dem Vorfall erzählt. Sie möchte ihm helfen, er lässt jedoch keine Hilfe zu, sondern wird grob und gewalttätig.

Diese Geschichte von Ihnen

Im zweiten Akt versucht sein Vorgesetzter (Roland Koch) herauszufinden, was während des Verhörs passiert ist und wie es zu den Prügeleien kommen konnte.

Und am Ende schließlich sehen wir die Verhörszene, also den eigentlichen Ausgangspunkt des Abends. Ein unbescholtener Mann (August Diehl), der als Kinderschänder verdächtigt wird, liefert sich mit dem Polizisten ein Psychospiel, das dann bald in eine wirkliche Gewaltorgie ausartet. Ist er schuldig oder nicht? Wahrscheinlich, aber sicher wissen wir es nicht. Immer mehr kommt auch Johnsons Innenleben zum Vorschein, das dem eines Kinderschänders gar nicht so unähnlich ist.

Diese Geschichte von Ihnen

Der Riesenapplaus für die Schauspieler, v.a. für Nicholas Ofczarek, ist voll gerechtfertigt. Erstklassiges Schauspiel und die Regie von Andrea Breth lassen nicht eine Minute Langeweile aufkommen, im Gegenteil, der Großteil des Publikums sitzt atemlos und blickt gebannt auf die Zweikämpfe auf der Bühne.

Das Stück selbst wäre mit weniger guten Schauspielern allerdings kein Riesen-Hit und wird nur durch sie zum Erlebnis.

1972 drehte Sidney Lumet unter dem Titel „The Offence“ (deutsche Fassung „Sein Leben in meiner Gewalt“) mit Sean Connery als miesem Polizisten und Trevor Howard als seinem Vorgesetzter einen Film nach dem Stück von John Hopkins.

Empfehlung: 3*

http://www.burgtheater.at/Content.Node2/home/spielplan/event_detailansicht.at.php?eventid=965270156

https://de.wikipedia.org/wiki/John_Hopkins_%28Drehbuchautor%29

https://de.wikipedia.org/wiki/Sein_Leben_in_meiner_Gewalt

https://www.youtube.com/watch?v=FZT-x_dp4jo

Als Bagdad noch ein orientalischer Sehnsuchtsort war: „Kismet“ in der Wiener Volksoper

Lange habe ich darauf gewartet, dass das Musical „Kismet“ endlich auch bei uns irgendwo gespielt wird. Und mich dementsprechend auf die Aufführung in der Wiener Volksoper gefreut.

Kismet

„Kismet“ kann ja auf eine kuriose Entstehungsgeschichte zurückblicken: Die beiden amerikanischen Komponisten Robert Wright und George Forrest bedienten sich Anfang der 50er-Jahre beim russischen Komponisten Alexander Borodin (1833-1887) und zimmerten aus verschiedenen seiner Werke (z.B. 2. Symphonie, Polowetzer Tänze, 2. Streichquartett, Petite Suite uvm.) ein Musical, das 1953 am Broadway Premiere hatte und im Jahr darauf den Tony Award gewann.

Kismet

Die Volksoper wählte nun wieder eine Aufführungsform, die erfolgreich zu sein scheint. Statt eines großen Bühnenspektakels mit teuren Kulissen und Kostümen gibt es eine konzertante Aufführung, in der ein Ohrwurm den nächsten jagt und dazwischen die etwas verworrene Handlung von Christoph Wagner-Trenkwitz mit Augenzwinkern vorgetragen wird.

Und das funktioniert erstklassig! Schön-schmalzige Melodien, fetzige Nummern, Bazar und Harem und Stefan Cerny als böser Wesir, der auch ohne Kostüm wie Dschafar aussieht.

Stefan Cerny  Dschafar

Das Volksopernorchester wird von Dirigent Joseph R. Olefirowicz zu Swing-Höchstleistungen getrieben. Dass ihm das Ganze auch unheimlich Spaß macht, ist ihm anzusehen. Superstimmung im Publikum, Riesenapplaus am Ende!

Leider ist die letzet Vorstellung am Sonntag, 31.01., offenbar schon ausverkauft …

Dafür hier ein paar Ausschnitte aus dem MGM-Film von 1955 (sehr bunt, sehr Hollywood):

http://www.volksoper.at/Content.Node2/home/spielplan/spielplan_detail.php?event_id=963720570&produktion_id=963268360#werkbeschreibung

https://en.wikipedia.org/wiki/Kismet_%28musical%29

https://de.wikipedia.org/wiki/Alexander_Porfirjewitsch_Borodin

Ein Ballettabend von streng klassisch bis modern: „Junge Talente des Wiener Staatsballetts“

Regelmäßige Leser meines Blogs wissen ja, dass ich ein Fan des Wiener Staatsballetts bin (v.a. seit der Leitung von Manuel Legris). Und wieder einmal hat ein Ballettabend nicht enttäuscht: Unter dem Titel „Junge Talente“ präsentieren junge Tänzerinnen und Tänzer ihr Können auf der Bühne der Volksoper. Und das ist zum Teil sehr beachtlich.

Bereits im letzten Jahr gab es so eine Vorstellungsreihe, um dem Balletnachwuchs die Möglichkeit zu geben, vor großem Publikum aufzutreten. Das Niveau ist, dem Alter und der Ausbildung entsprechend, nicht ganz einheitlich, aber sehr hoch. Und für die manchmal spürbare Nervosität zeigen alle Verständnis, ist der Sinn solcher Abende ja auch, mit der Bühnensituation vertraut zu werden.

Ballettabend Volksoper

Vor jedem der völlig unterschiedlichen Stücke werden über dem Vorhang Probeszenen eingeblendet und damit die jeweils nächsten „jungen Talente“ vorgestellt.

Ballettabend Volksoper

Ballettabend Volksoper

Ballettabend Volksoper

Die Choreographien reichen von klassischen Stücken wie „Le Corsaire“ (Marius Petipa) bis zu zeitgenössischem Tanz wie einer Neufassung von „Creatures (Patrick de Bana), dazwischen Maurice Béjart, George Balanchine, John Neumaier uvm..

Einige Nummern möchte ich extra herausstreichen:
– AREPO (Maurice Béjart), ein Pas de Deux und Solo, bei dessen Uraufführung 1986 Manuel Legris tanzte.
– Double Date (Trevor Hayden), war schon (2014?) zu sehen, ist aber wirklich lustig anzuschauen, denn die Akteure werden von oben gefilmt und tanzen nicht nur mit den Füßen, sondern auch die Hände haben ihre eigene Choreographie.
– Creatures (Patrick de Bana), mit der außergewöhnlichen Nikisha Fogo.
– La fille mal gardée (Joseph Lazzini) ist klassisches Ballett inkl. Kostüme, „wie es sein soll“.
– Les Bourgeois (Ben van Cauwenbergh), inzwischen ein Klassiker bei Wettbewerben und Galas. Hier muss der Tänzer nicht nur technisch und artistisch perfekt sein, sondern auch komödiantisches Talent mitbringen.
– Proust ou Les intermittences du coeur (Roland Petit), einfach schön anzuschauen.

Fazit: Ein sehr abwechslungsreicher Abend, der schon neugierig macht, wer von den Talenten dann den Durchbruch schaffen wird.

Einen Termin gibt es in dieser Vorstellungsreihe noch: Mittwoch, 10.02.2016

Empfehlung: 3*

http://www.volksoper.at/Content.Node2/home/spielplan/spielplan_detail.php?event_id=964046724&produktion_id=961546479

So traurig – „Das Wechselbälgchen“ im Volkstheater

Die Geschichte der kleine Zitha (benannt nach der „bösen Königin“) rührte mich zu Tränen. Ein Wechselbalg, also ein von bösen Geistern oder dem Teufel untergeschobenes Kind, viel Aberglauben und Zauberei, das harte Leben einer Magd in den Kärntner Bergen – das alles wird in dieser Volkstheaterinszenierung mit wenigen, aber sehr effektvollen Mitteln dargestellt.

v.l.n.r.: Seyneb Saleh, Florian Köhler, Gábor Biedermann, Claudia Sabitzer

v.l.n.r.: Seyneb Saleh, Florian Köhler, Gábor Biedermann, Claudia Sabitzer

Nach einem Buch von Christine Lavant stammt die Bühnenfassung von Maja Haderlap, Regie führte Nikolaus Habjan. Ein Team von 2 Schauspielerinnen, 2 Schauspielern und einigen Puppen genügt, um die traurigen Ereignisse rund um die Magd Wrga und ihr uneheliches, zurückgebliebenes Kind zu erzählen. Die Puppen werden dabei so liebevoll geführt, dass man meint, echte Kinder vor sich zu haben. Am Ende hat das Wechselbälgchen zwar eine heldenhafte Tat vollbracht, aber um welchen Preis …

Wechselbälgchen

Christine Lavant hat in diese Erzählung wohl viel eigene Erfahrungen einfließen lassen, wie ihre Kindheit in unvorstellbar armen Verhältnissen, aber auch vom Umgang mit behinderten Kindern.

Wechselbälgchen

Es ist keine leichte Kost, allerdings so berührend vom jungen Ensemble dargestellt, dass ich das Stück unbedingt empfehlen kann.

In den nächsten Wochen noch als Volkstheater in den Außenbezirken, soll „Das Wechselbälgchen“ ab Mitte Februar ins Haupthaus übersiedeln.

Nicht ganz so stimmig die Saaldeko: Volkstheater in den Außenbezirken in der VHS Hietzing

Nicht ganz so stimmig die Saaldeko: Volkstheater in den Außenbezirken in der VHS Hietzing

Das Buch wurde im Wallstein Verlag herausgebracht und ist sicher eine interessante Ergänzung zum Theaterstück, v.a. um die ganz eigene Sprache von Christine Lavant zu erleben.

Empfehlung: 4*

http://www.volkstheater.at/stueck/das-wechselbaelgchen/

http://www.wallstein-verlag.de/autoren/christine-lavant.html

https://de.wikipedia.org/wiki/Christine_Lavant

https://de.wikipedia.org/wiki/Maja_Haderlap

http://nikolaushabjan.com/

„Against Design“ – die große Josef Frank-Ausstellung im MAK

Bereits im Oktober habe ich eine Zusammenfassung über die geplanten Aktivitäten in Wien zum Thema „Josef Frank“ geschrieben https://kulturmischmasch.com/2015/10/07/josef-frank-special/.

Josef Frank

Seit 15.12.2015 hat nun die große Ausstellung über alle Facetten des Künstlers Josef Frank geöffnet. Schande über mich – ich habe zwar die Eröffnung besucht, komme aber erst jetzt dazu ….

Josef Frank

Josef Frank

Es ist eine umfassende Schau, die Frank als Architekt, Stadtplaner, Möbel- und Stoffdesigner, als Maler und als Utopist zeigt. Als Gastkurator wurde der Wiener Architekt Hermann Czech gewonnen, der Student bei Ernst Plischke war, der wiederum bei Josef Frank studierte. Ein netter Kreisschluss.

Die Ausstellung wird vor allem Franks vielfältigem Wirken gerecht. Sie ist sehr umfangreich, wartet mit einer Fülle an Material auf, erlaubt aber dennoch, sich mit einzelnen Aspekten zu beschäftigen und anderes im Vorbeigehen schneller zu erledigen.

Die berühmten Stoffmuster für Svenskt Tenn

Die berühmten Stoffmuster für Svenskt Tenn

Vor einigen Jahren konnte ich die Villa Beer in Hietzing besuchen (Entwurf gemeinsam mit Oskar Wlach), die zu einem großen Teil original erhalten ist und sogar noch diverse Einbauten, Frank-Möbel sowie Heizkörper und Armaturen besitzt. Strenge denkmalschützerische Auflagen machten damals einen geplanten Verkauf (nicht an mich!) problematisch. Anhand dieses Beispiels ließ sich ein ganz besonderes Raumgefühl erleben und der Sinn der Möblierung erfassen, die sich nicht an kurzfristigen Moden orientierte, sondern die Gemütlichkeit und Brauchbarkeit an erste Stelle setzte. Ich habe auch das Gefühl, dass Frank nie sich selbst als Architekt in den Vordergrund stellen wollte, es aber auch nicht nötig hatte, da die Qualität seiner Entwürfe sowieso für ihn sprach – und noch heute spricht.

Villa Beer in Hietzing

Villa Beer in Hietzing

Villa Beer - Blick von der Empore ins Wohnzimmer

Villa Beer – Blick von der Empore ins Wohnzimmer

Mit seiner Meinung „dass das Einfamilienhaus die Grundlage unserer gesamten modernen Baukunst und unserer Stadtanlagen ist“ würde Frank heute allerdings nicht mehr weit kommen – Verdichtung ist nicht nur in den Städten, sondern auch immer mehr im ländlichen Ortsbereich angesagt. In der Wiener Werkbundsiedlung konnte er jedoch seine und die Ideen seiner Zeitgenossen umsetzen.

Frank als Von Frank stammte der "Generalplan" für die Wiener Werkbundsiedlung (eröffnet 1932)

Von Frank stammte der „Generalplan“ für die Wiener Werkbundsiedlung (eröffnet 1932)

Frank-Haus in der Werkbundsiedlung

Frank-Haus in der Werkbundsiedlung

In der Ausstellung stößt man auch immer wieder auf liebevoll gemalte Aquarelle, eine Technik, die er für (Fantasie)Entwürfe ebenso verwendete wie für stadträumliche Überlegungen.

Wohngebiet einer Stadt mit 20.000 Einwohnern

Wohngebiet einer Stadt mit 20.000 Einwohnern

Fantasie-Entwurf

Fantasie-Entwurf

Accidental House

Accidental House

Ob Rolf Kauka für Onkel Knox' Haus (Fix & Foxi) Anleihen bei Frank genommen hat?

Ob Rolf Kauka für Onkel Knox‘ Haus (Fix & Foxi) Anleihen bei Frank genommen hat?

Die Ausstellung ist noch bis 03.04.2016 geöffnet, Begleitprogramm bitte im Internet nachschauen. Hier nur einige Empfehlungen:

• Kuratorenführungen (09.02., 25.02., 17.03.)

• Vorträge:
Friedrich Kurrent (24.1.2016, 16:00 Uhr)
„Josef Frank in Wien wieder bekannt gemacht“

Otto Kapfinger (28.2.2016, 16:00 Uhr)
„Josef Frank – Stadtbaukunst von unten. Wien 1923/24: Versuch des Generalsiedlungsplans. Eine Vision und ihre aktuellen Facetten“

Hermann Czech (13.3.2016, 16:00 Uhr)
„Überlegungen zu Josef Frank und against Design“

• Filmvorführung über die Wiener Werkbundsiedlung

• MAK on Tour Special: Führungen zur Villa Beer und zur Werkbundsiedlung – sind offenbar ausgebucht, aber es gibt sicher eine Warteliste und erfahrungsgemäß fällt immer jemand aus.

• Wie immer im MAK: Jeden Dienstag ab 18:00 Uhr ist der Eintritt frei (geöffnet bis 22:00 Uhr)

Der Katalog ist um 51,40 EUR leider kein Schnäppchen

Der Katalog ist um 51,40 EUR leider kein Schnäppchen

Empfehlung: 3,5* (0,5* sind der leichten Unübersichtlichkeit geschuldet)

http://www.mak.at/aktuell?set-ad=y&article_id=1419779770297

http://www.nextroom.at/building.php?id=2368

https://de.wikipedia.org/wiki/Hermann_Czech