Aus 4 mach 3 – Die neue Ring-Trilogie im Theater an der Wien

Ich muss vorausschicken: Weder bin ich Wagnerkennerin noch enthusiastische Besucherin seiner Opern. Irgendwie konnte ich dafür nie eine besondere Begeisterung entwickeln, wobei ich weniger Probleme mit den rein orchestralen Teilen habe, aber mit dem Gesang.

Umso unbelasteter freute ich mich auf einen Teil der sogenannten „Ring-Trilogie“, ein aus Wagners vierteiligem Opernzyklus „Der Ring des Nibelungen“ neu zusammengestelltes dreiteiliges Werk, das im Theater an der Wien uraufgeführt wurde. www.kulturmischmasch.com/fresh-look-at-the-old-ring

Am besten erklärt die Homepage des Theaters selbst, was sich die Regisseurin Tatjana Gürbaca und die Dramaturgin Bettina Auer dazu gedacht haben: „Sein Opus magnum, die Ring-Tetralogie, hat Richard Wagner ganze 26 Jahre seines Lebens beschäftigt, gemartert und enthusiasmiert: Vom ersten Entwurf eines  Siegfried-Dramas mit dem Titel Siegfrieds Tod im Revolutionsjahr 1848 bis zur Vollendung der Götterdämmerung-Partitur 1874 verging – wenn auch mit beträchtlichen Unterbrechungen – ein Vierteljahrhundert. Wagner hat seine Nibelungen-Erzählung also kurioserweise vom Ende her begonnen, dem dann immer mehr notwendige Vorgeschichte bis hin zum Rheingold zugewachsten ist. Kein Wunder, dass bei dieser langwierigen, mäandernden Entstehung Sprünge, Brüche und Lücken im komplexen Handlungsgewebe auftauchen, die viel Raum für Interpretation lassen. Der Ring ist Weltendrama, Menschheitsgeschichte und Kapitalismuskritik; er erzählt von Machthunger und Machtmissbrauch, von Geldgier, Zerstörungslust und vom ewigen Kreislauf der Gewalt sowie nicht zuletzt von einer Familientragödie, welche die Geschichte dreier Generationen umspannt.Die Ring-Trilogie, die eigens für das Theater an der Wien entwickelt wurde, geht der Frage nach, wie Handeln und Schuld der Großvätergeneration, sprich Wotan und Alberich, das Leben der folgenden Generationen – auf politischer wie privater Ebene – bestimmt; wie die Jüngeren den Folgen dieser Taten nicht entkommen, auch wenn sie sich verzweifelt dagegen stemmen und aufbegehren; wie sie sich umso mehr verstricken, je mehr sie kämpfen. Deshalb wagt diese Ring-Version etwas völlig Neues: Um die Geschichte des Rings aus der Perspektive der Jüngeren zu erzählen, so dass Hagen, Siegfried und Brünnhilde ins Zentrum rücken, wurden einige Szenen gestrichen und andere Teile des Rings neu zusammengesetzt. Jeder Abend beginnt – wie ursprünglich bei Wagner selbst – mit der finalen Katastrophe, dem Mord an Siegfried, um anschließend in die Erinnerungen der verschiedenen Figuren einzutauchen.“

Und tatsächlich bin ich nicht enttäuscht worden (ich habe nur einen Teil gesehen, „Siegfried“) – im Gegensatz zu vielen Wagner-Fans, die jetzt weniger an der Inszenierung auszusetzen hatten als an den Sängern und Sängerinnen und vor allem am Orchester (ORF Radio-Symphonieorchester unter Constantin Trinks). Für meine vielleicht bescheidenen Wagner-Erwartungen hat es gereicht, ich fand eine wirklich spannende Geschichte, der ich gerne gefolgt bin und die zumindest in diesem mittleren Teil logisch aufgebaut war.

Ich lasse es einmal setzen, aber wer weiß: Vielleicht konnte damit sogar mehr Interesse für die Wagner-Welt in mir geweckt werden….

Empfehlung: 3*

https://www.theater-wien.at/de/programm/production/766/Siegfried

https://de.wikipedia.org/wiki/Richard_Wagner

https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Ring_des_Nibelungen

Fresh look at the old ring – Wagners „Ring des Nibelungen“ neu zusammengestellt

In der nächsten Saison steht im Theater an der Wien eine völlig neue Interpretation von Richard Wagners Vierteiler „Ring des Nibelungen“ auf dem Programm. Aus den vier Teilen wird eine Trilogie, in der, jeweils ausgehend von Siegfrieds Tod, die Geschichte aus Sicht von Hagen, Siegfried und Brünnhilde geschildert wird. An drei aufeinanderfolgenden Abenden – hört sich doch sehr spannend an! Bis 31. Mai gibt es noch 30% Ermäßigung auf die Abos der kommenden Spielzeit.

© Theater an der Wien

„Sein Opus magnum, die Ring-Tetralogie, hat Richard Wagner ganze 26 Jahre seines Lebens beschäftigt, gemartert und enthusiasmiert: Vom ersten Entwurf eines Siegfried-Dramas mit dem Titel Siegfrieds Tod im Revolutionsjahr 1848 bis zur Vollendung der Götterdämmerung-Partitur 1874 verging – wenn auch mit beträchtlichen Unterbrechungen – ein Vierteljahrhundert. Wagner hat seine Nibelungen-Erzählung also kurioserweise vom Ende her begonnen, dem dann immer mehr notwendige Vorgeschichte bis hin zum Rheingold zugewachsten ist. Kein Wunder, dass bei dieser langwierigen, mäandernden Entstehung Sprünge, Brüche und Lücken im komplexen Handlungsgewebe auftauchen, die viel Raum für Interpretation lassen. Der Ring ist Weltendrama, Menschheitsgeschichte und Kapitalismuskritik; er erzählt von Machthunger und Machtmissbrauch, von Geldgier, Zerstörungslust und vom ewigen Kreislauf der Gewalt sowie nicht zuletzt von einer Familientragödie, welche die Geschichte dreier Generationen umspannt.

Die Ring-Trilogie, die eigens für das Theater an der Wien entwickelt wurde, geht der Frage nach, wie Handeln und Schuld der Großvätergeneration, sprich Wotan und Alberich, das Leben der folgenden Generationen – auf politischer wie privater Ebene – bestimmt; wie die Jüngeren den Folgen dieser Taten nicht entkommen, auch wenn sie sich verzweifelt dagegen stemmen und aufbegehren; wie sie sich umso mehr verstricken, je mehr sie kämpfen. Deshalb wagt diese Ring-Version etwas völlig Neues: Um die Geschichte des Rings aus der Perspektive der Jüngeren zu erzählen, so dass Hagen, Siegfried und Brünnhilde ins Zentrum rücken, wurden einige Szenen gestrichen und andere Teile des Rings neu zusammengesetzt. Jeder Abend beginnt – wie ursprünglich bei Wagner selbst – mit der finalen Katastrophe, dem Mord an Siegfried, um anschließend in die Erinnerungen der verschiedenen Figuren einzutauchen.“ (Text Theater an der Wien)

https://www.theater-wien.at/de/programm/production/765/Hagen

https://www.theater-wien.at/de/programm/production/766/Siegfried

https://www.theater-wien.at/de/programm/production/767/Bruennhilde

Stefan Mickisch, der Opernführer im Theater an der Wien

Vor ein paar Jahren bin ich – als dezidierte Nicht-Wagner-Liebhaberin – bei einer Radiosendung hängen geblieben, in der auf äußerst amüsante Art „Der Ring des Nibelungen“ erklärt wurde. So stieß ich auf Stefan Mickisch, den bayrischen Musikwissenschaftler und Pianisten, der hier in vier Teilen das Opernwerk in seine einzelnen Motive zerlegte, wieder neu zusammensetzte, sie dabei auf dem Klavier vortrug und witzig die Handlung erzählte. Ok, dachte ich, so lasse ich mir Wagner gefallen.

Stefan Mickisch

Dieses Programm trug er dann auch an vier Abenden im Theater an der Wien vor – wieder informativ und kurzweilig. Mickisch hält auch seit vielen Jahren die Einführungsvorträge in Bayreuth und hat sich eine große Fangemeinde geschaffen. Davon konnte ich mich letzte Woche im vollen Theater an der Wien überzeugen, wo er Mozarts „Die Zauberflöte“ in gewohnt unterhaltsamer Weise beleuchtete.

Das Bühnenbild der laufenden Produktion, Henry Purcells "The Fairy Queen", paßt gut zur "Zauberflöte"

Das Bühnenbild der laufenden Produktion, Henry Purcells „The Fairy Queen“, paßt gut zur „Zauberflöte“

Zweimal gibt es in nächster Zeit die Möglichkeit, den Opernführer in Wien zu sehen und zu hören:

20.02.2017 „Fidelio“

25.03.2017 „Die Fledermaus

Empfehlung: 4*

 

http://www.mickisch.de/index.php?id=1&no_cache=1

https://www.theater-wien.at/de/programm/production/227/Stefan-Mickisch-Fidelio

https://www.theater-wien.at/de/programm/production/225/Stefan-Mickisch-Die-Fledermaus

Handkes „Die Stunde da wir nichts voneinander wussten“ bei den Wiener Festwochen

Eine höchst interessante Aufführung: Das Hamburger Thalia Theater gastierte mit Peter Handkes Stück „Die Stunde, da wir nichts voneinander wussten“ bei den Wiener Festwochen. Das Besondere hier ist, dass es von Handke genaue Regieanweisungen gibt, aber kein Wort gesprochen wird. Die Uraufführung 1992 (auch im Theater an der Wien im Rahmen der Festwochen, Regie Claus Peymann) habe ich damals anscheinend nicht gesehen, denn ich erinnere mich an gar nichts.

Peter Handke, Die Stunde ...  Peter Handke, Die Stunde ...

Deshalb kann ich auch nicht beurteilen, wie weit das estnische Regieduo Tiit Ojasoo und Ene-Liis Semper die Anweisungen geändert hat – einige Szenen dürften jedoch mit Handkes Zustimmung neu dazugekommen sein.

Der Zuschauer beobachtet zweieinhalb Stunden lang die 20 Schauspieler und Schauspielerinnen sowie eine Gruppe Asiaten, die über einen imaginären Platz gehen, laufen, kriechen, fahren…. Es tut sich permanent etwas, Langeweile kam zumindest bei mir nicht auf. Die Darsteller leisten Großartiges, ziehen sich im Eilzugstempo um und stellen mindestens 100 verschiedene Figuren dar.

Peter Handke, Die Stunde ...  Peter Handke, Die Stunde ...

Eindrucksvolle Bilder wechseln mit leider kitschigen plakativen Szenen. So hat mir z.B. die Verdrängung unserer westlichen Arbeitswelt durch chinesische Arbeiter und das „Altencasting“außerordentlich gut gefallen, hingegen das hell erleuchtete Tor, durch das die ganze Truppe nackt ungefähr 10 Mal hin und her schreitet, überhaupt nicht.

Peter Handke, Die Stunde ...

Die Assoziationen sind vielfältig und jeder muss hier seine eigenen Bilder im Kopf entstehen lassen.

Aus einem Interview, das Peter Handke im Jahr 1992 Sigrid Löffler für die Zeitschrift profil gegeben hatte: Was das Stück ausgelöst hat, war ein Nachmittag vor vielen Jahren. Ich habe damals auf einem kleinen Platz in Muggia bei Triest den Tag verbracht. Ich bin dort den ganzen Tag auf einer Café-Terrasse gesessen und habe gesehen, wie sich das Leben abspielt. Ich bin wirklich ins Schauen gekommen, vielleicht auch mit Hilfe von Wein. Alles wurde zeichenhaft, ohne symbolisch zu werden. Die kleinsten Vorgänge fingen an, Zeichen zu werden, als ob sie die Welt bedeuteten – ich weiß nicht, welche Welt, die Welt eben. Nach drei, vier Stunden fuhr ein Leichenwagen vor ein Haus, Männer gingen hinein und kamen dann mit einem Sarg heraus, Zuschauer versammelten sich und lösten sich wieder auf, der Leichenwagen fuhr weg. Danach ging der Betrieb wieder weiter – von Touristen, von Einheimischen, von Handwerkern. Die nachher kamen wußten nicht, was vorher war. Aber für mich, der das gesehen hatte, war durch die Aktion mit dem Leichenwagen doch alles, was nachher kam, leicht verändert. Die Passanten wußten alle nichts voneinander – daher der Titel. Aber wir, die wir zuschauen, wir sehen die Passanten wie Skulpturen, die einander erst zu Skulpturen machen. Was nachher kommt, gibt dem, was vorher war, erst den Umriß; und das, was vorher war, gibt dem, was nachher kommt, die Skulptur.

Empfehlung (für Hamburg, wieder ab 3. Juni 2015): 3*

http://handkeonline.onb.ac.at/node/608

http://www.thalia-theater.de/de/spielplan/

„La straniera“ – Bellinis eher selten gespielte Oper im Theater an der Wien

Eine geheimnisvolle Fremde schleicht über die Bühne, verschleiert und ständig ihr trauriges Los beklagend. Ein junger Graf verlässt seine Braut kurz vor der Hochzeit, um mit der Unbekannten ein neues Leben zu beginnen. Ein Freund, vielleicht ein Rivale, stirbt im Duell – oder doch nicht? Das alle sind die Versatzstücke der etwas seltsamen Geschichte, die der Belcanto-Oper von Vincenzo Bellini zugrunde liegen.

Regisseur Christof Loy hat „La straniera“ bereits in Zürich mit Edita Gruberova und in Essen mit Marlis Petersen inszeniert – und holt nun beide Sängerinnen alternierend für die Titelrolle ins Theater an der Wien.

La straniera La straniera

La straniera

In der Generalprobe konnte ich Marlis Petersen hören, die mir unglaublich gut gefallen hat und die die ganze Verzweiflung der Verstoßenen zum Ausdruck brachte. Franco Vasallo (Valdeburgo), Theresa Kronthaler (Isoletta) und Stefan Cerny (il priore) zeigten ebenfalls starke Leistungen. Die für den Regisseur zentrale Figur Arturo, zu diesem Termin besetzt mit Norman Reinhardt, hatte dagegen Probleme, sich gegen das Orchester durchzusetzen und blieb insgesamt etwas farblos. Gut wie immer: der Arnold Schoenberg-Chor.

Loy verzichtet auf zeitgenössische Interpretationen (sehr schöne historische Kostüme!), die angesichts des Plots auch schwer möglich wären. Und wie die Geschichte angelegt ist, ist meiner Meinung nach auch der Schwachpunkt dieser Aufführung. Ich habe mich vorher nicht mit dem Inhalt beschäftigt und bin sozusagen völlig blank hingegangen, bin aber auch nicht zufrieden herausgekommen. Denn obwohl die Spannung durchaus aufgebaut wird und bis zum Ende nicht klar ist, wer la straniera wirklich ist, fällt die „Auflösung“ dann so nebenbei, so unlogisch und nur halb aus (ich kann nicht glauben, dass es im Libretto wirklich nur einen Satz dazu gibt), dass ich danach gleich nachlesen musste, was da wirklich los ist.

Da diese Oper sobald wahrscheinlich nicht mehr in Wien zu hören sein wird, sollten sich Belcanto-Fans (wie ich) rasch um Karten umschauen.

Termine:
Premiere 14.01.2015
16., 18., 22., 24., 26., 28.01.2015

http://www.theater-wien.at/index.php/de/spielplan/production/153448

Empfehlung: 3*

„Die Perlenfischer“ im Theater an der Wien

„Die Perlenfischer“ („Les pêcheurs de perles“) ist eine nicht sehr oft gespielte Oper von Georges Bizet, die der Mode der Entstehungszeit folgend an einem exotischen Schauplatz (Ceylon) mit exotischem Personal (Perlenfischer, Tempelpriesterin) eine Liebesgeschichte erzählt.

So viel pure Exotik traute sich die Regisseurin Lotte de Beer heutigem Publikum nicht vorzusetzen und verpackte die Story in eine Überhandlung: Die Realityshow „Perlenfischer“ wird auf der Insel gedreht, der Chor sitzt als Zuschauer vor den Fernsehgeräten in einem eingeblendeten Wohnhaus und verfolgt von dort das Geschehen auf der Bühne bis zum (fast) bitteren Ende. Grundsätzlich eine gute Idee und auch technisch wirklich gut umgesetzt.

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Ich hätte mich aber über eine – freilich entkitschte – normale Version der Oper mehr gefreut. Die wunderschöne Musik, die romantische Handlung, die zarten Momente des Liebespaares reichen für eine moderne Operninszenierung, ohne dass die Handlung und die Bühne überfrachtet und vollgeräumt werden müssen. Der französische Text harmoniert nicht wirklich mit den halbenglischen Fernsehtexten, Diana Damrau hätte in etwas anderem als den Leggings und dem Yogashirt besser gewirkt und ich hatte die ganze Zeit den Eindruck, dass die Oper etwas ins Lächerliche gezogen wird.

Die 4 Hauptakteure (Diana Damrau als Leila, Dmitry Korchak als Nadir, Nathan Gunn als Zurga und Nicolas Testé als Nourabad) singen grandios und spielen sich offenbar mit Freude durch die TV-Show.

Großer Applaus am Ende, zu Recht für die Sänger und anscheinend gefiel das Spiel im Spiel der Mehrheit des Publikums.

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Ich habe eine YouTube-Aufnahme aus dem Konzertsaal von Dmitry Korchak mit der berühmten Arie des Nadir gefunden, im Theater an der Wien sang er sie jedoch ein wenig feiner und inniger:

Empfehlung: 3*

http://www.theater-wien.at/index.php/de/spielplan/production/153434