Neues aus Berlin, Teil 5: Das Lutherjahr in der deutschen Hauptstadt

500 Jahre Reformation machen sich auch in Berlin bemerkbar. Anlässlich des Lutherjahres bietet die Hauptstadt eine ganze Reihe an Veranstaltungen und Ausstellungen an.

Hagel, Regen, Eiseskälte in Berlin über die Osterfeiertage – da bleibt ja fast nur der Weg ins Museum. Die Wahl fiel auf den Martin-Gropius-Bau, das frühere Kunstgewerbemuseum (das sowohl von der inhaltlichen Ausrichtung als auch dem architektonischen Stil dem Wiener Museum für Angewandte Kunst sehr ähnlich war/ist). Das Deutsche Historische Museum zeigt dort eine große Sonderausstellung zum Reformationsjubiläum: „Der Luthereffekt. 500 Jahre Protestantismus in der Welt“. Die beiden Partnerausstellungen „Luther und die Deutschen“ und „Luther! 95 Schätze – 95 Menschen“ sind vom 4. Mai auf der Wartburg in Eisenach beziehungsweise ab 13. Mai im Wittenberger Lutherhaus zu sehen.

Licht- und Klanginstallation von Hans Peter Kuhn am Beginn der Ausstellung

Im Gropiusbau werden exemplarisch vier Länder herausgestellt und die vielfältigen Ausprägungen des Protestantismus thematisiert: Schweden, USA, Korea und Tansania. Dass der Zugang zur Religion durch die unterschiedlichen kulturellen Ausgangslagen sehr verschieden ist, dass auch das Konfliktpotenzial im Spannungsfeld Religion – Kultur – Politik ein völlig anderes ist, wird sehr gut herausgearbeitet. Und nicht zuletzt: Wo stehen die protestantischen Kirchen auf den vier Kontinenten heute? Und was verbindet sie überhaupt noch?

Die Beschriftungen und Saaltexte sind gut, ein kleines Heft mit Erklärungen zu allen Objekten bekommt man auch dazu und wer noch mehr erfahren möchte, ist mit dem Audioguide gut beraten, der zusätzlich vertiefende Informationen liefert.

Eindeutig für schöneres Wetter eignet sich „Das Paradies ist überall“ – eine Open-Air-Ausstellung zwischen Ostern und Pfingsten (16. April – 04. Juni2017) an mehr als 70 Orten in der ganzen Stadt. Rote Tore zeigen, wo ein solcher Ort ist und wo, passend zur Umgebung, zu einer Entdeckungsreise zu „kleinen Paradiesen“ eingeladen wird.

„Luther und die Avantgarde“ verspricht ebenfalls eine interessante Auseinandersetzung mit dem Reformationsjubiläum zu werden. Ab 19. Mai, wiederum an drei Orten (im ehemaligen Gefängnis in der Lutherstadt Wittenberg, in der Karlskirche in Kassel und in der St. Matthäus-Kirche in Berlin), zeigen mehr als 65 zeitgenössische Künstler ihre Arbeiten, darunter z.B. Ai Weiwei und Gilbert & George.

Weiter Informationen zu Konzerten und anderen Ausstellungen: https://www.berlin.de/kultur-und-tickets/tipps/martin-luther-reformationsjubilaeum/

https://www.dhm.de/ausstellungen/der-luthereffekt.html

https://de.wikipedia.org/wiki/Martin-Gropius-Bau

http://luther-avantgarde.de/r2017/

Neues aus Berlin, Teil 4: „Prinz Friedrich von Homburg“ mit dem Berliner Ensemble, Peymanns letzte Arbeit an diesem Theater

Vorausschicken muss ich, dass ich mit Klaus Peymanns ersten Inszenierungen am Wiener Burgtheater neue Lust am Theater bekam (jaja, ist schon sehr lange her). Und so hat es mich natürlich gereizt, zu schauen, was er mit dem Berliner Ensemble aus Kleists Stück herausholt.

Der Prinz und Natalie (Sabrin Tambrea, Antonia Bill)

Wie einige Stücke von Heinrich von Kleist ist auch dieses nicht ganz logisch und eher unwahrscheinlich, doch Peymann hat viel zusammengestrichen und den Text auf 1 ½ Stunden verkürzt. Nicht zum Schaden der Zuschauer, wie ich meine.

Auf einer Bühne (Achim Freyer), die irgendwie an eine kleinere Version der „Herrmannschlacht“ von seinerzeit erinnert, nimmt das Spiel um Krieg, absoluten Gehorsam und die Folgen bei Widerhandeln seinen Lauf.

Der Prinz, dargestellt von Sabrin Tambrea, ist kein energischer Kriegsherr, sondern ein versponnener Träumer, den man sich schwer als Befehlshaber und Schlachtengewinner vorstellen kann. Launig der Kunstgriff, dass Oberst Kottwitz von einer Frau (Carmen-Maja Antoni) gespielt wird.

Es ist solides, sehr gut gespieltes Klassik-Theater, das vermutlich nicht so stark in Erinnerung bleiben wird wie frühere Peymann-Inszenierungen.

Theater am Schiffbauerdamm

Theater am Schiffbauerdamm

Theater am Schiffbauerdamm

Das Theater am Schiffbauerdamm ist übrigens als Gebäude auch einen Besuch wert, ein historistisch-schön überladenes Haus, wo man auch auf den billigen Plätzen ganz oben eine extrem gute Sicht hat, da die Balkone steil ansteigen.

Empfehlung: 3*

https://www.berliner-ensemble.de/repertoire/titel/129

https://de.wikipedia.org/wiki/Prinz_Friedrich_von_Homburg_oder_die_Schlacht_bei_Fehrbellin

Neues aus Berlin, Teil 3: Der Pianosalon Christophori

Ein Tipp für alle, die klassische Musik lieben: In einer Berliner Klavierfabrik wird in schrägem Rahmen ein außergewöhnliches Konzertprogramm geboten.

Abseits der üblichen Konzert-Locations, in einem netten Winkel in Wedding, steht eine große Fabrikshalle. Darin werden Pianos repariert und das sieht man. Überall Klavierteile und Klaviere, die Atmosphäre ist die einer Werkstatt – und doch auch der perfekte Rahmen für die Konzerte, die der Gründer und Betreiber Christoph Schreiber (Arzt im Hauptberuf) hier veranstaltet. Es geht lässig zu, Schreiber möchte den Besuch bewusst niedrigschwellig halten. Im Eintrittspreis sind auch Getränke enthalten, die man sich selbst einfach davor, danach und in der Pause nimmt und zu den Gesprächen mit Künstlern und Besuchern mitnimmt.

Einfach hingehen ist aber nicht gut, denn eine Vorreservierung auf der Webseite ist zu empfehlen. Wer wie ich von einem langjährigen Stammgast mitgenommen wird, darf in der ersten Reihe sitzen. Und sich ein Quartett aus jungen Musikern und Musikerinnen anhören, die das passende Programm für eine Wienerin in Berlin boten: Zemlinsky und seinen völlig unbekannten Zeitgenossen, Walter Rabl, der jedoch eine Entdeckung wert war.

v.l.n.r.: Jonathan Aner (Klavier), Olga Polonsky (Violine), Stephan Koncz (Cello), Shirley Brill (Klarinette)

http://www.konzertfluegel.com/index.html

Neues aus Berlin, Teil 2. Die Berliner Luft hat’s in sich: „Frau Luna“ im Tipi am Kanzleramt

Vorgeschichte: Der Berliner Komponist Paul Lincke wurde vor 150 Jahren geboren – Anlass, seine bekannteste Operette „Frau Luna“ (Uraufführung 1899) in seiner Heimatstadt auf die Bühne zu bringen. Und wie!!!

Frau Luna

Keine Angst, hier rinnt kein Operettenschmalz, vielmehr kann man im Tipi am Kanzleramt eine Revue mit schmissigen Musiknummern, witzigen Dialogen und Tanznummern und glitzernden Kostümen erleben. War die wirklich entzückende Inszenierung vor einigen Jahren in der Wiener Volksoper tatsächlich eine Operette, hatte man in Berlin nun etwas ganz anderes im Sinn.

Prächtige Kostüme

Prächtige Kostüme

Die Geschichte ist schnell erzählt: Der Erfinder Fritz Steppke startet mit zwei Freunden und seiner Vermieterin Frau Pusebach ins Weltall, um den Mann im Mond kennenzulernen. Der Mann stellt sich jedoch als Frau Luna heraus, und so kommt es am Mond zu diversen amourösen Verwicklungen, bis sich am Ende – logischerweise – alle in den richtigen Paarungen zusammenfinden.

Frau Luna

Unter der Regie von Bernd Mottl treffen sich die Stars der Berliner Kleinkunstszene: Allen voran das als „Geschwister Pfister“ bekannte Trio Andreja Schneider (Frau Luna), Tobias Bonn (Haushofmeister auf dem Mond) und Christoph Marti (Frau Pusebach!), aber auch Pigor & Eichhorn (Steppke und sein Freund), Gustav Peter Wöhler (Prinz Sternschnuppe), Ades Zabel (Mondgroom) und Annamateur (Stella).  Die Besetzungsliste hält, was sie verspricht.

Frau Luna

Es glitzert und funkelt, auf der Bühne, neben der Bühne, auf den Kostümen – und in den begeisterten Gesichtern der Zuschauer. Der größte Hit aus dem Stück ist natürlich „Das ist die Berliner Luft, Luft, Luft….“, dazu wird mitgesungen und -geklatscht, die Stimmung ist großartig. Und wenn Cora Frost als Venus sexy „Glühwürmchen, Glühwürmchen“ anstimmt (ist eigentlich aus „Lysistrata“), ist endgültig von Operettenkitsch keine Spur da.

Dazu das 12-köpfige Orchester unter Johannes Roloff, das flott und schwungvoll die Hits von Paul Lincke ins Jahr 2016 transportiert.

Frau Luna

Frau Luna

Der Jubel war groß, die Kritiken überschwänglich und es ist anzunehmen, dass diese Produktion wieder das Zeug zu einer legendären Inszenierung hat, so wie vor 22 Jahren am selben Ort „Im Weißen Rößl am Wolfgangsee“ in die Annalen eingegangen ist.

Die Produktion ist zu aufwendig, um auf Tournee zu gehen, daher ab nach Berlin! Und ich weiß, dass die Fangemeinde v.a. der „Geschwister Pfister“ in Wien sehr groß ist und sich das nicht entgehen lassen sollte!

Wie passend: der Super-Vollmond über Berlin-Tiergarten

Wie passend: der Super-Vollmond über Berlin-Tiergarten

Ort: Im Tipi am Kanzleramt, einem großen Theaterzelt im Berliner Tiergarten. noch bis Ende Jänner 2017.

Empfehlung: 4*

 

https://de.wikipedia.org/wiki/Frau_Luna

https://de.wikipedia.org/wiki/Paul_Lincke

http://www.tipi-am-kanzleramt.de/

http://www.operetten-lexikon.info/?menu=217

http://geschwister-pfister.de/hp/

Neues aus Berlin, Teil 1 oder Die Stadt der ewigen Baustellen

Wer in Wien über die vielen Baustellen jammert, der soll einmal nach Berlin schauen!

Berlin

Berlin

Waren die Baumaßnahmen im Regierungsviertel in den Jahren bis ca. 2001 in der übrigen Stadt dank eines ausgeklügelten Ver- und Entsorgungssystems wenig spürbar, war die hässliche Fläche auf dem Potsdamer Platz endlich verbaut und hatte man den Eindruck, die Mitte ist wirklich die Mitte geworden, überziehen heute schon wieder Kräne und offene Schächte die Stadt.

Unter den Linden

Unter den Linden

Ein riesiges Projekt ist die Verlängerung der Linie U5 vom Alexanderplatz zum Brandenburger Tor. Das bedeutet, dass ein Spaziergang auf der Prachtstraße Unter den Linden im Moment ein enttäuschendes Erlebnis ist, denn der gesamte Straßenzug ist aufgegraben. Zusätzlich wird ein Teil der repräsentativen Bauten renoviert und versteckt sich hinter Abdeckplanen.

Unter den Linden

Unter den Linden

Der Abstecher auf die Museumsinsel kann auch warten – nach heftigen Streitereien, Architektenwechsel und diversen Umplanungen wird der Masterplan vom britischen Architekten David Chipperfield umgesetzt und soll angeblich ab 2017 die Museen mit neuem Eingangsgebäude verbinden. Aber im Moment: Baustelle.

Museumsinsel

Museumsinsel

Museumsinsel

Museumsinsel

Museumsinsel

Museumsinsel

Museumsinsel

Museumsinsel

Nur eine kleine Baustelle am Dom

Nur eine kleine Baustelle am Dom

Wieder zurück Richtung Alexanderplatz fällt der Blick auf eine der für mich absurdesten Baustellen der Stadt: auf den Neubau des Berliner Schlosses. Auch diesem Projekt gingen lange Diskussionen voran, ist der Platz doch historisch aufgeladen. Das auch Stadtschloss genannte Gebäude war seit dem Spätmittelalter das politische Zentrum der Mark Brandenburg. Im Laufe der Jahrhunderte erfolgten immer wieder Umbauten, mit Ausrufung der Weimarer Republik verlor es seine Funktion als Residenz. Nach schweren Bombenschäden im Zweiten Weltkrieg und weiterem Verfall in der DDR-Zeit kam es 1950 schließlich zur Sprengung der letzten Reste. Auf einem Teil des Geländes entstand der inzwischen wieder verschwundene „Palast der Republik“, die restliche Freifläche schaute wie eine große Senke aus.

Hier ensteht das neue "Schloss"

Hier ensteht das neue „Schloss“

Dass hier eine neue Stätte für Kunst, Kultur und Wissenschaft – das Humboldtforum – entstehen soll, ist in Ordnung. Nicht in Ordnung finde ich allerdings die Rekonstruktion des Stadtschlosses – eine historisierende Fassade mit Kuppel und einem hässlichen Anbau. Die Jury lobte den Sieger des Architekturwettbewerbs, Franco Stella, dass er es schafft, „einerseits das Historische wieder entstehen zu lassen und andererseits eine moderne Antwort“ zu finden. Naja, für mich sind Rekonstruktionen in diesem Ausmaß ein völlig falscher Weg und Historisches kann nicht nachgemacht wieder entstehen.

Die Betonkuppel des neuen Schlosses

Die Betonkuppel des neuen Schlosses

Aber auch ehemaligen Westen tut sich an jeder Ecke eine Baustelle auf, so zum Beispiel am Kurfürstendamm beim Café Kranzler: Ende 2015 sperrte das Café zu, wird jetzt umgebaut und soll 2017 wieder eröffnen. Die Schilder vor dem Haus lassen allerdings nichts Gutes erahnen, wahrscheinlich ziehen große Modeketten ein (einer gehört das Café sowieso schon). Der Charme der 50er-Jahre-Architektur hatte schon etwas.

Berlin

Berlin

Alles in allem empfehle ich im Moment keine Besichtigungsreise nach Berlin – lieber noch 2 Jahre warten und dann alles ohne Baustellen genießen!

http://www.stadtentwicklung.berlin.de/planen/hauptstadt/entwicklungsmassnahme/

https://de.wikipedia.org/wiki/Museumsinsel_(Berlin)#Masterplan_Museumsinsel

http://berliner-schloss.de/