Schon von Weitem sichtbar liegt die Kathedrale mit der Riesenkuppel auf dem Hügel über der Donau. Esztergom (deutsch Gran) ist Sitz des Erzbischofs. Der Beiname „ungarisches Rom“ deutet auf die ambitionierten Erweiterungspläne im 19. Jahrhundert, als das Zentrum der ungarischen Katholiken zu einem 2. Rom ausgebaut werden sollte.
Nach einer wechselvollen Geschichte (Magyaren, Christianisierung, osmanische Herrschaft, ungarische Aufständische, Habsburger) konnte der Erzbischof in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts wieder in die Stadt zurückkehren und begann mit dem Bau einer neuen Kathedrale. Die im klassizistischen Stil erbaute Kirche ist die größte Ungarns und kann mit noch einem Superlativ aufwarten: Bei der „Himmelfahrt Marias“ vom Italiener Michelangelo Grigoletti soll es sich um das größte auf Leinwand gemalte Altarbild handeln.
Sowohl die Außenfassade mit dicken Säulen, Portikus und Glockentürmen als auch das Innere wirken auf mich – trotz der sehr hellen Farbgebung – allerdings seltsam kühl und fast abweisend. Der Bau beschäftigte mehrere Erzbischöfe, auch mit der Weihe 1856 war das Werk noch nicht abgeschlossen und im 20. Jahrhundert kamen weitere Innendekorationen dazu. Franz Liszt komponierte anlässlich der Weihe die Missa solemnis, sein Schattenriss auf dem Wimpel eines Engels auf der Orgel weist darauf hin.
Älteren Datums ist die aus rotem Marmor geschaffene Bakócz-Kapelle, eines der Hauptwerke der Renaissance in Ungarn. Sie wurde zwar mehrmals verändert und anlässlich des Neubaues sogar komplett versetzt, präsentiert sich heute aber als vollkommener Renaissancebau für das Grab des Humanisten und Erzbischofs Tamás Bakócz (1497-1521).
Nicht versäumen darf man den Blick über das Donautal und bei Schönwetter weit hinüber in die Slowakei.
Die Stadt selbst verfügt über eine reiche historische Bausubstanz. Einige der Palais und Bürgerhäuser sind wirklich schön restauriert, aber gut die Hälfte davon ist leider schwer baufällig.
Ein Ausflug nach Esztergom lässt sich wunderbar mit einem Aufenthalt auf Schloß Béla einige Kilometer weit entfernt verbinden. Der riesige barocke Kasten stammt aus den 30er-Jahren des 18. Jahrhunderts und wurde 1910 vom Bankier Adolf Ullmann erworben. Nach 1945 ließ die Regierung das Gebäude offenbar fast völlig verfallen (die Bilder im kleinen Museum zeigen die Bauschäden), bis im Jahre 2000 eine Nachkommin der früheren Besitzer das Schloß wieder erstand und renovierte.
Heute wird es als 5*-Hotel geführt, mit eigenem Weingut, ausgedehnten Ländereien und sehr stimmungsvoller Einrichtung. Die Renovierung soll an die 100 Mill. Euro verschlungen haben, und wenn man sich die Details ansieht, ist das sicher nicht zu hoch gegriffen. Dabei stellt sich die Frage, wo 1. das Geld für die Renovierung herkam, und wie sich 2. der ganze Betrieb heute finanziert. Ein möglicher Hinweis: Der Ehemann der heutigen Besitzerin, Matthias Graf von Krockow, muss sich wegen Untreue vor Gericht verantworten; er soll, gemeinsam mit anderen Bankmangern, mit dubiosen Krediten das Bankhaus Sal. Oppenheim fast in den Ruin getrieben haben … Wie auch immer, ein Wochenende im Schloß ist zu empfehlen!