„Ein Lied geht um die Welt“ – Zum tragischen Tod von Joseph Schmidt

Puhhh – viel Zeit ist seit meinem letzten Beitrag vergangen. Das war der Arbeit geschuldet, aber jetzt geht es wieder los. Mit meinen Eindrücken von neuen oder laufenden Produktionen, Tipps für Reisen und was mir sonst noch wichtig scheint.

Und heute ist mir wichtig, auf den Todestag eines besonderen Sängers hinzuweisen: Der Tenor Joseph Schmidt starb am 16. November 1942. Sein Schicksal und sein Gesang treiben mir immer wieder die Tränen in die Augen.

Geboren im kleinen  Dorf Dawideny (damals österreichische Monarchie, heute Ukraine) in eine jüdische Familie, wird Joseph Schmidt wegen seiner schönen Stimme Kantor in der Synagoge in Czernowitz. Von dort ging es zum Gesangsstudium nach Berlin, wo sein Talent bald erkannt wurde. Er hatte allerdings das Pech, dass er nur 1,54 m groß war und somit fast nie für Opernbühnen verpflichtet wurde. Seine Erfolge kamen durch Schallplattenaufnahmen und vor allem durch Rundfunksendungen zustande – seine Popularität stieg durch das Radio und Radio konnte wiederum von Schmidts Bekanntheit profitieren.

Nach der Machtergreifung der Nazis war es in Deutschland mit seinen Karriere vorbei. Der Premiere seines Films „Ein Lied geht um die Welt“ in Berlin konnte er noch beiwohnen (auch Joseph Goebbels applaudierte, er wollte ihn angeblich zum „Ehrenarier“ ernennen), doch kurz darauf verließ Joseph Schmidt Deutschland zunächst Richtung Wien. Internationale Gastspiele – aber eigentlich immer auf der Flucht –  führten ihn in den nächsten Jahren nach Amerika und Nordeuropa, bis er schließlich 1940 in Frankreich landete, wo er verhaftet wurde. Ihm gelang zwar die Flucht in die Schweiz, doch auch die Schweizer steckten ihn in ein Internierungslager, da geflohene Juden nicht als politische Flüchtlinge galten und erst eine Arbeitserlaubnis beantragt werden musste. Geschwächt, offenbar an einer Herzkrankheit leidend, die nicht behandelt wurde, starb er mit nur 39 Jahren nach einem Spaziergang. Am Tag darauf hätte er die Arbeitserlaubnis bekommen …

Die ausgezeichnete Sendung „Tenorale Triumphe – Tragischer Tod“ von Christoph Wagner-Trenkwitz (Ö1, 14.11.2017) ist noch eine Woche lang nachzuhören:

http://oe1.orf.at/player/20171114/495752

Und hier eine Hörprobe: „Du bis die Welt für mich“, ein Lied das sein Freund Richard Tauber Schmidt gewidmet hatte:

https://www.youtube.com/watch?v=CnJQ3dtSbgI

Und natürlich „Ein Lied geht um die Welt“:

https://www.youtube.com/watch?v=bZxF7J9wwcA

https://de.wikipedia.org/wiki/Joseph_Schmidt_(S%C3%A4nger)

 

 

Meine ganz persönlichen Kultur-Highlights des Jahres 2016

Viel hat sich getan im gerade noch alten Jahr, über einiges habe ich auch berichtet. Hier noch eine kleine Zusammenfassung meiner ganz persönlichen Highlights des Kulturjahres 2016 (nicht über alle erschien auch ein Beitrag im Blog):

1          Platz 1 nimmt mein Besuch in der Mailänder Scala ein, den ich einem Freund zu verdanken habe. Das perfekte Stück für eine Wienerin in Italien, „Der Rosenkavalier“ unter Zubin Mehta (Regie Harry Kupfer), mit Sitz in der Königsloge und anschließender Feier mit einem Teil des Ensembles.

Highlight 2016

"Der Rosenkavalier"

„Der Rosenkavalier“

 

         Jardin Majorelles und Anima in/bei Marrakesch: Zwei Gärten, ganz verschieden in ihrer Ausrichtung, beide mit wuchernden Pflanzen und knalligen Farben.

Jardin Majorelles von Yves Saint Laurent und Pierre Bergé

Jardin Majorelles von Yves Saint Laurent und Pierre Bergé

Im Garten Anima von André Heller

Im Garten Anima von André Heller

 

3          Die Wiederentdeckung Berlins (aus privaten Gründen) mit einer Unzahl an Ausstellungen, Museen, Theatern, Konzerten….

Highlight 2016

 

         Immer wieder: Das Staatsballett unter Manuel Legris, wunderschöne Abende in der Staats- und Volksoper.

Highlight 2016

 

5          Die Aufführung von Beethovens 3. Symphonie „Eroica“ im Eroica-Saal durch die Wiener Akademie: Originalklang-Ensemble am Originalplatz der Uraufführung – was will man mehr?

Die Wiener Akademie

Die Wiener Akademie

Decke im Eroica-Saal

Decke im Eroica-Saal

 

6          Markus Meyer: Der Burgschauspieler konnte in ganz unterschiedlichen Rollen und mit vollem Körpereinsatz überzeugen: in „Coriolan“, „Der eingebildete Kranke“, „Der Diener zweier Herren“, „Ludwig II.“…

©Reinhard Werner

©Reinhard Werner

 

7          „Floating Piers“ von Christo am Lago d‘Iseo– ein Riesenauflauf, aber sehens- und erlebenswert.

Christos "Floating Piers"

Christos „Floating Piers“

 

8          Fondazione Prada in Mailand: weil spannende Kunst in toller Architektur.

Fondazione Prada

Fondazione Prada

 

9          Olafur Eliasson im Winterpalais: „Ein Zauberer mit Licht und Material“ hab ich’s genannt.

Olafur Eliasson im Winterpalais

Olafur Eliasson im Winterpalais

 

10          Eine Aufführung von „Don Giovanni“ in Bratislava: gute Inszenierung, gute Sänger, gute Preise, schnell von Wien aus zu erreichen – einmal etwas anderes.

"Don Gioavanni"

„Don Gioavanni“

Die Oper in Bratislava

Die Oper in Bratislava

Mit diesem Rückblick wünsche ich allen ein wunderbares, friedliches, erfolgreiches, gesundes Jahr 2017 – mit ganz vielen weiteren Kulturhighlights!

Neues aus Berlin, Teil 2. Die Berliner Luft hat’s in sich: „Frau Luna“ im Tipi am Kanzleramt

Vorgeschichte: Der Berliner Komponist Paul Lincke wurde vor 150 Jahren geboren – Anlass, seine bekannteste Operette „Frau Luna“ (Uraufführung 1899) in seiner Heimatstadt auf die Bühne zu bringen. Und wie!!!

Frau Luna

Keine Angst, hier rinnt kein Operettenschmalz, vielmehr kann man im Tipi am Kanzleramt eine Revue mit schmissigen Musiknummern, witzigen Dialogen und Tanznummern und glitzernden Kostümen erleben. War die wirklich entzückende Inszenierung vor einigen Jahren in der Wiener Volksoper tatsächlich eine Operette, hatte man in Berlin nun etwas ganz anderes im Sinn.

Prächtige Kostüme

Prächtige Kostüme

Die Geschichte ist schnell erzählt: Der Erfinder Fritz Steppke startet mit zwei Freunden und seiner Vermieterin Frau Pusebach ins Weltall, um den Mann im Mond kennenzulernen. Der Mann stellt sich jedoch als Frau Luna heraus, und so kommt es am Mond zu diversen amourösen Verwicklungen, bis sich am Ende – logischerweise – alle in den richtigen Paarungen zusammenfinden.

Frau Luna

Unter der Regie von Bernd Mottl treffen sich die Stars der Berliner Kleinkunstszene: Allen voran das als „Geschwister Pfister“ bekannte Trio Andreja Schneider (Frau Luna), Tobias Bonn (Haushofmeister auf dem Mond) und Christoph Marti (Frau Pusebach!), aber auch Pigor & Eichhorn (Steppke und sein Freund), Gustav Peter Wöhler (Prinz Sternschnuppe), Ades Zabel (Mondgroom) und Annamateur (Stella).  Die Besetzungsliste hält, was sie verspricht.

Frau Luna

Es glitzert und funkelt, auf der Bühne, neben der Bühne, auf den Kostümen – und in den begeisterten Gesichtern der Zuschauer. Der größte Hit aus dem Stück ist natürlich „Das ist die Berliner Luft, Luft, Luft….“, dazu wird mitgesungen und -geklatscht, die Stimmung ist großartig. Und wenn Cora Frost als Venus sexy „Glühwürmchen, Glühwürmchen“ anstimmt (ist eigentlich aus „Lysistrata“), ist endgültig von Operettenkitsch keine Spur da.

Dazu das 12-köpfige Orchester unter Johannes Roloff, das flott und schwungvoll die Hits von Paul Lincke ins Jahr 2016 transportiert.

Frau Luna

Frau Luna

Der Jubel war groß, die Kritiken überschwänglich und es ist anzunehmen, dass diese Produktion wieder das Zeug zu einer legendären Inszenierung hat, so wie vor 22 Jahren am selben Ort „Im Weißen Rößl am Wolfgangsee“ in die Annalen eingegangen ist.

Die Produktion ist zu aufwendig, um auf Tournee zu gehen, daher ab nach Berlin! Und ich weiß, dass die Fangemeinde v.a. der „Geschwister Pfister“ in Wien sehr groß ist und sich das nicht entgehen lassen sollte!

Wie passend: der Super-Vollmond über Berlin-Tiergarten

Wie passend: der Super-Vollmond über Berlin-Tiergarten

Ort: Im Tipi am Kanzleramt, einem großen Theaterzelt im Berliner Tiergarten. noch bis Ende Jänner 2017.

Empfehlung: 4*

 

https://de.wikipedia.org/wiki/Frau_Luna

https://de.wikipedia.org/wiki/Paul_Lincke

http://www.tipi-am-kanzleramt.de/

http://www.operetten-lexikon.info/?menu=217

http://geschwister-pfister.de/hp/

Ein Sommer wie früher: „Im weißen Rößl“ bei den Schlossfestspielen Langenlois

Ralph Benatzkys Operette/Singspiel „Im weißen Rößl“ ist ja fast ein Garant für volle Häuser (oder Schlossparks wie in Langenlois im niederösterreichischen Waldviertel). Die bekannten Lieder, die harmlose Handlung und die Erinnerungen an Peter Alexander und Waltraud Haas im gleichnamigen Film sind die richtigen Zutaten für einen unbeschwerten Sommerabend.

Im weißen Rößl

Andreas Stoehr (Intendanz und musikalische Leitung) und Michael Scheidl (Regie und Bühne) wollten sich aber nicht an den Film anlehnen, sondern eher an die legendäre Berliner Aufführung in der „Bar jeder Vernunft“ mit Max Raabe und den Geschwistern Pfister.

Im weißen Rößl

Es beginnt auch wirklich schwungvoll, in einem sehr schönen Bühnenbild vor der Schlossfassade. Die Rößlwirtin (Kristina Bangert, naja) und ihr Zahlkellner Leopold (sehr gut) liefern sich ein Liebesduell, bis am Ende jeder und jede richtig verbandelt ist. Dazwischen wird geschuhplattelt und gejodelt, der schöne Sigismund  und andere dürfen einen Berg erklimmen und der Chor ist auch tänzerisch gut drauf. Ein guter Teil der Gags kommt aus den Missverständnissen zwischen Deutschen (Johannes Seilern als Wilhelm Giesecke) und Österreichern, und da hat sich nicht viel geändert seit der Uraufführung im Jahr 1930 (in Berlin!).

Im weißen Rößl

Wilhelm Giesecke aus Berlin

Wilhelm Giesecke aus Berlin

Ein kleiner Regenschauer tut der Stimmung auch keinen Abbruch, vor allem wenn er so passend kommt und gerade „Wenn es hier mal richtig regnet“ angestimmt wird.

Im weißen Rößl

Ein Minuspunkt: Die zweite Hälfte nach der Pause hätte um gut 20 Minuten kürzer sein können (einige Nummern gehören auch nicht ins Stück hinein), denn dass sich am Ende die richtigen Paare finden, wäre auch in gestraffter Version klar gewesen.

Der schöne Sigismund und sein Klärchen

Der schöne Sigismund und sein Klärchen

Auch der Kaiser schaut vorbei :)

Auch der Kaiser schaut vorbei 🙂

Bis 13.08. im Schlosspark Haindorf (Langenlois/NÖ).

Tipps:

  • Wie bei allen Sommertheatern Decken, Sitzpolster und Gelsenmittel nicht vergessen!
  • Der Regenschutz ist in Langenlois nicht im Eintrittspreis enthalten, wird aber um 2 Euro angeboten.
  • Im Winzerdorf im Schlosspark bieten Kamptaler Winzer Speisen und Getränke an – sehr idyllisch!

http://www.schlossfestspiele.at/

https://de.wikipedia.org/wiki/Im_wei%C3%9Fen_R%C3%B6%C3%9Fl